Es ist so weit: Ich habe mein Masterstudium im September erfolgreich bestanden und konnte damit auch meine Masterarbeit auf ResearchGate veröffentlichen. Ich habe lange auf diesen Tag gewartet und freue mich nun, euch das Thema näher vorstellen zu können. Gerade auch deshalb, weil das Thema so aktuell ist, so ein hohes Konfliktpotential besitzt und Probleme verursacht, benötigen wir neue Perspektiven, Ideen und Ansätze, um die COVID-19-Pandemie zu überwinden. Im Biopsychosozialen Modell (BPSM) findet sich eine Theorie, die, wie ich durch meine Masterarbeit beschrieben habe, dazu geeignet wäre. Doch dazu folgend mehr.

Wer keine Zusammenfassung haben möchte, sondern es eigenständig nachlesen möchte, kann dies hier tun:

http://dx.doi.org/10.13140/RG.2.2.17428.58245

Eine kleine Anmerkung: Wieso habe ich meine Masterarbeit erst jetzt – fünf Monate nach Bestehen des Studiums – veröffentlicht? Ich habe sehr lange darauf gewartet, dass das von mir angefragte Journal die Masterarbeit einbindet. Leider wurde die Masterarbeit in ihrer bestehenden Form erst nach fünf Monaten abgelehnt. Darum habe ich entschieden nicht mehr länger warten zu wollen. Schließlich wird die COVID-19-Pandemie nicht mehr aktueller als sie es jetzt gerade ist.

https://www.nomos-shop.de/tectum/titel/covid-19-aus-biopsychosozialer-perspektive-id-105864/

Wichtig: Unter dem Titel „COVID-19 aus biopsychosozialer Perspektive“ ist meine Masterarbeit Anfang 2022 als Buch und als Open-Access im Tectum-Verlag erschienen.


Kurzvorstellung

Datum der Einreichung: 28. Juli 2021

Prüfung: Academic Institute for Higher Education & London Metropolitan University (LMU)

Anzahl an Seiten: 65

Quellen: 155 (die hier verwendeten Quellen finden sich in der Masterarbeit wieder)

Theoretische Auseinandersetzung: 

Anwendung des Biopsychosozialen Krankheitsmodells (BPSK) nach George L. Engel (1977) auf die COVID-19- Pandemie in Deutschland

Forschungsfragen: 2

  1. Wie ist COVID-19 aus biopsychosozialer Perspektive zu beurteilen?
  2. Wie sind die non-pharmakologischen Interventionen während der COVID-19-Pandemie in Deutschland aus biopsychosozialer Perspektive zu beurteilen?

Suchstrategie & -auswertung:

a) Nach Kriterien der Cochrane Stiftung Deutschland (2020)
b) Nach dem Falsifikationismus des Wissenschaftsphilosophen Karl R. Popper

Abstract:

Die durch den Erreger SARS-CoV-2 ausgelöste COVID-19-Pandemie wird trotz neuer medizintheoretischer Erkenntnisse stets aus der Perspektive der Biomedizin bzw. des pathogenetischen Modells von Krankheit beurteilt. Die vorliegende Masterarbeit erläutert den Nutzen des biopsychosozialen Modells nach Engel (1977) als notwendige Erweiterung der Biomedizin zur Überwindung der COVID-19-Pandemie in Deutschland. Durch eine Suchstrategie nach den Kriterien der Cochrane Stiftung Deutschland und der wissenschaftstheoretischen Methode des Falsifikationismus nach Karl Popper sollen entsprechende Studien zur COVID-19- Pandemie in Deutschland ausgewertet und der aktuelle Wissensstand aufgezeigt werden. Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass die autoregulativen Eigenschaften des Menschen durch das Immunsystem und andere Körpersysteme präventiv vor COVID-19 schützen. Die COVID-19-Pandemie ist primär durch Immunschwächen aufgrund von Alterung oder Komorbiditäten zu erklären. NPIs können die Anzahl an Infektionen verzögern, diese aber nicht verhindern. Der Effekt vieler Maßnahmen (Lockdown, Nationale Teststrategie, MNS) muss dringend aufgearbeitet werden, um eine Nutzen-Schaden-Abwägung potentieller Kollateralschäden gegenüber dem Infektions- und Erkrankungsrisiko zu gewährleisten. Die Risikokommunikation über SARS-CoV-2 ist verbesserungswürdig, da Modellrechnungen über exponentielles Wachstum und die Überlastung des Gesundheitssystems sowie Berechnungen über die Letalität des Erregers bisher unzureichend waren. Zudem können durch die zunehmende epidemiologische und virologische Abstraktion der COVID-19-Pandemie andere ebenso wichtige Bereiche vernachlässigt oder durch die Risikokommunikation sogar beeinträchtigt werden. Im Sinne des biopsychosozialen Krankheitsmodells ist die Gleichberechtigung der drei verschiedenen Bereiche des Menschen (Soziales, Psychologie, Biologie) unbedingt in dieser und zukünftigen Pandemien zu fokussieren.


Zur Einführung

Wie ihr bereits wisst, habe ich bereits im Mai (und aktualisiert im Oktober) 2020 meine COVID-19-Analyse verfasst. Ich habe bewusst keine der Inhalte aus der Analyse genutzt, um meine Masterarbeit zu untermauern. Dies bedeutet: Ich habe während des Schreibprozesses nicht einmal meine Analyse gelesen (oder auch nur im entferntesten darüber nachgedacht, jene Ansätze in die Masterarbeit zu integrieren). Dennoch hat sich meine Gesinnung natürlicherweise nicht um 180° gedreht.

Die Perspektive, die ich während meiner COVID-19-Analyse (2020) eingenommen habe, kam schließlich erst dadurch zustande, dass ich das Wissen über Gesundheit, was ich bereits über mein (Selbst)Studium erworben habe, auch anwenden wollte.

Dasselbe gilt bei meiner Masterarbeit: Die Masterarbeit ist ein Produkt meiner eigenen Vorstellungen, Glaubenssätze, Motive und Wünsche. Etwas anderes zu behaupten, wäre schlicht unwissenschaftlich. Und wir sehen es auch anhand der COVID-19-Pandemie, dass Spezialisten, die in ein und demselben Fach ausgebildet wurden, trotzdem eine unterschiedliche Meinung haben (ohne, dass einer von beiden als unwissenschaftlich abgestempelt werden kann!).

Dies liegt meiner Meinung nach daran, welches Wissen (auch zusätzlich zum Studium) erworben wurde, welche Bedeutung bestimmten Aspekten des Lebens zugeordnet wird (z.B. Moral, Objektivität etc.) und eben welche Perspektive versucht wird einzunehmen.

Wer einmal wissenschaftlich geforscht und gearbeitet hat, der weiß bestens, dass auch Studien im Sinne eigener Interessen (z.B. der Pharmaindustrie, Politik) manipulierbar sind. Wer etwas anderes behauptet hat, der hat schlicht wenig Ahnung von Wissenschaft.

Dies bedeutet natürlich nicht, dass wir uns nicht um eine möglichst sachliche, neutrale und offene Position bemühen sollten. Dies ist der Kern aller wissenschaftlicher Bestrebungen! Die Zeit, in welcher die exoterische Wissenschaft allerdings glaubt, dass es einen „neutralen Beobachter“ gibt, ist schon länger vorbei. Nicht nur durch Experimente der Quantenphysik, erkenntnistheoretische und wissenschaftstheoretische Probleme, sondern auch ganz real erfahrbar: Ich verweise an dieser Stelle einfach mal auf die Bücher „Die Mechanismen der Skandalierung“ und „So lügt man mit Statistik„.

Sicherlich wäre die Abstraktion der Wissenschaft einen eigenen Beitrag wert, allerdings möchte ich einfach im Zuge meiner Masterarbeit auf etwas ganz Grundsätzliches hinweisen, was vielen Missverständnissen vorbeugt: Auch ich bin nicht frei von subjektiven Eindrücken. Aber ich kann dies zugeben. Und gerade weil ich mir darüber bewusst bin, dass ich eine bestimmte Perspektive habe, kann ich versuchen, sie dir näher zu bringen. Wenn du mir deshalb nicht zuhören möchtest, ist das in Ordnung. Für einen wissenschaftlichen Diskurs braucht es aber immer zwei offene Geister und ich bin es dann nicht, der sich vor diesem Diskurs verschließt. Ich gebe nur vorab meine eigene Voreingenommenheit zu (was viele nicht tun würden, die sich Wissenschaftler nennen).

Inhalt

Anfänge

Also, was habe ich erforscht und wie bin ich vorgegangen?

Nach der Themenfindung im März habe ich zu allererst das Exposé im April geschrieben und die Forschungsfragen aufgestellt. Dabei ging es darum, den aktuellen Stand zu charakterisieren und die Motive sowie den Nutzen der Masterarbeit zu erläutern.

Biopsychosoziales Krankheitsmodell

Dann habe ich eine Literatursuche zum Thema Biopsychosoziales Modell nach George L. Engel (1977) durchgeführt. Dadurch bin ich zu einigen erstaunlichen Ansichten und Erkenntnissen gelangt.

Josef W. Egger hat es 2005 gut auf den Punkt gebracht: Die von Engel postulierte Theorie von Gesundheit und Krankheit ist die derzeit kohärenteste Medizintheorie. Warum? Weil das „alte“ pathogenetische/biomedizinische Paradigma diverse medizintheoretische Probleme aufweist, die insbesondere auch anhand der steigenden Kosten und Ressourcen im Gesundheitssystem sichtbar werden (Wade & Halligan, 2017; Bolton & Gillet 2019). Herkömmliche Therapien und Methoden (z.B. auch Ernährungstherapien) scheinen nicht „die ultimative Lösung“ zu sein.

Das Biopsychosoziale Krankheitsmodell (BPSK) funktioniert auch einfach deshalb in der Therapie besser, weil es „das ganze System Mensch“ mit all seinen Facetten berücksichtigt. Dies bedeutet: Biologie, Psychologie und Soziales werden als analoges Wirkungsgeschehen betrachtet, bei denen Störungen immer gleichsam auftreten. Das biomedizinische Modell betrachtet demgegenüber Krankheiten hauptsächlich körperlich/biologisch, was auch schon vom Begründer der Psychosomatik Thure von Uexküll kritisiert wurde: So entstehe nämlich überhaupt erst die Krise der Medizin im 21. Jahrhundert, denn der Mensch wird so behandelt, als sei er ein „Körper ohne Seele“ oder eine „Seele ohne Körper“ (Otte, 2001).

Das BPSK kann in seiner erweiterten Theorie (mind-body-unity-theory bzw. Theorie der organischen Einheit; bei der auch Spinozas Leib-Seele-Identitätstheorie eine tragende Rolle spielt) aber in seiner Bedeutung noch viel mehr leisten, als die dualistische Überwindung des Cartesianismus (Körper und Seele seien getrennte Instanzen). Das BPSK bietet erstmals die Chance, die Klassifizierung von Krankheiten in psychosomatisch und nicht-psychosomatisch zu überwinden und ein einheitliches semantisches Begriffssystem zu schaffen.

Entscheidende Wegbereiter des Biopsychosozialen Krankheitsmodells waren übrigens das Salutogenese-Modell von Antonovsky (1979), das Stress-Modell von Selye (1936), die System-Theorie von Bertalanffy (1950) und das Risikofaktoren-Modell (Pauls, 2013).

Zur Übersicht ist folgende Grafik (in Anlehnung an Engel, 1977) hilfreich:

Abb. 1: Das biopsychosoziale Krankheitsmodell zeigt die verschiedenen Auslöser und Risikofaktoren, die die Entstehung von Krankheiten begünstigen können. Dabei ist kein Aspekt weniger wichtig, sondern alle Aspekte, der biologische, psychologische und soziale Aspekt, können gleichermaßen zur Pathogenese beitragen (Quelle: In Anlehnung an Engel, 1977).

Insgesamt stellt das BPSK dem Menschen die autoregulative Selbstkompetenz aus: Dies bedeutet, dass der Mensch (aus systemischer Perspektive) die Schnitsstelle zwischen Biologie, Psychologie und Soziales ist und somit darauf auch Einfluss nehmen kann. Damit wird wieder einmal eine Volksweisheit bestätigt: Jeder ist seines Glückes Schmied. Der Mensch kann sich vor Erkrankungen schützen und ist äußeren Faktoren nicht hilflos ausgeliefert.

Dies sollte zur kurzen Einführung in George L. Engels Modell reichen.

Forschungsfrage 1: COVID-19 und das BPSK

Nach der Erarbeitung des BPSK bin ich zu meiner ersten Forschungsfrage übergegangen: Wie ist COVID-19 aus biopsychosozialer Perspektive zu beurteilen?

Hierfür habe ich alle relevanten Informationen zu COVID-19 aus epidemiologischer Perspektive beschrieben. In der Kürze liegt die Würze: COVID-19 ist eine Erkrankung, die sehr häufig gar nicht bis kaum bemerkt wird, also mild verläuft, in einer nicht unbeträchtlichen Anzahl allerdings auch zum Tode führen kann. Jedoch sind ca. 89 % der Verstorbenen mit einem positiven SARS-CoV-2-RT-PCR-Test älter als 69 Jahre und das Durchschnittsalter liegt bei 84 (Robert Koch-Institut, 2020d). Außerdem weist eine Vielzahl an Verstorbenen (74 % in einem systematischen Review von Gold et al., 2020) bis zu mehrere Begleiterscheinungen auf (in einer Studie von Onder, Rezza & Brusaferro, 2020, sogar 99,2%!). Schon hier ist die im Abstract erwähnte Tatsache nachvollziehbar, dass die COVID-19-Pandemie hauptsächlich durch Alterung und Komorbiditäten entsteht. Auch die von Streeck und Ioannidis berechnete Infection Fatility Rate (IFR) bzw. Infektionssterblichkeitsrate von 0,36 % bis 0,15 % untermauert dieses Argument.

Dies ist jedoch „nur“ die epidemiologische bzw. nach Engel die biologische Seite der COVID-19-Pandemie. Zu dieser Pandemie gehört mehr als nur die Feststellung, dass ein Virus für einen Menschen potentiell gefährlich werden kann (oder harmlos ist). Vielmehr muss die Frage gestellt werden: Wieso gibt es bei einigen Menschen überhaupt die Bedingungen (Psyche, Bios, Soziales), dass ein Virus Schaden verursacht, während andere Menschen völlig unberührt davon bleiben?

Hier setzt wieder das BPSK an: Krankheit ist ein dynamisches Geschehen und kann nicht nur auf Viren reduziert werden. Vorab gab es bestimmte Ereignisse im Leben eines Menschen (Stress, schlechtere Beziehungsqualität, Unbehagen/Angst etc.), die dazu geführt haben, dass der Mensch generell Krankheitsanfälliger geworden ist (durch was genau ist laut BPSK unerheblich, da analog!).

Also zentrale Folgerung, die auch Naumova (2020) zieht: Schaden entsteht nicht ausschließlich durch den Erreger SARS-CoV-2 und die Lungenerkrankung COVID-19, sondern auch durch Mängel in Gesundheitssystemen, die Misskommunikation, die durch Kriegsrhetorik verstärkt wird und die Angst, die davon abhält, rational gesellschaftliche Lösungen zu finden.

Die evolutionären Überlegungen zur grundsätzlichen Funktionsweise von organischen Einheiten decken sich auch mit der biologischen Entdeckung des Selbsterhaltungstriebs (Autopoiesis) von Lebewesen (Salvucci, 2012). Diese als grundsätzlich betrachtete Eigenschaft von Lebewesen führt nicht nur zum Überleben und zur Arterhaltung, sondern auch zur Diversität innerhalb des Evolutionsprozesses (Symbiogenese). Damit wird erstmals erklärbar, dass die Vielfalt der Lebewesen auf dem Planeten Erde nicht nur auf Konkurrenz und Egoismus zurückzuführen ist, sondern auch auf Integration und Zusammenarbeit. Der Auslöser von viralen Erkrankungen sollte somit nicht kausal auf die Infektion mit einem Virus zurückgeführt werden, sondern in Bezug auf die mangelnde Anpassung des Immunsystems an die Umgebung durch psychosoziale Faktoren wie Stress oder fehlende Bewältigungsstrategien (Coping-Strategien) untersucht werden. Wie in Abbildung 1 (S. 11) erkennbar, sind Viren nur einer von potentiell zwölf und mehr verschiedenen biopsychosozialen Faktoren, die zur Pathogenese beitragen können.

Nolting, 2021, S. 18-19

Auf der anderen Seite gibt es viele Wege, die das Immunsystem als „Kommunikationsschutz“ des zentralen Nervensystems präventiv schützen können.

Auf sozialer Ebene: Verwundbarkeit und Stigmatisierung erkennen, Freundschaften und Beziehungen pflegen, soziokulturelle Faktoren fördern und sozialen Stress reduzieren (Bartolomucci & Sapolsky, 2020, Vinkers et al., 2020)

Auf biologischer Ebene: körperlichen Stress (oxidativen Stress) reduzieren, Mangelernährung vorbeugen (Vitamin D und andere Vitamine und Mineralstoffe notfalls supplementieren!) und gesunden Lebensstil führen, Vorerkrankungen vermeiden – was eigentlich klar sein sollte – Sport und Entspannung fördern (Hamer et al., 2020; Lange & Nakamura, 2020; Pereira et al. 2020; Yisak et al., 2021; Gasmi et al., 2020).

Auf psychologischer Ebene: psychosozialen Stress vermeiden, Resilienz aufbauen, emotionales Wohlbefinden fördern, Therapie und Schutz suchen, Natur aufsuchen (Leonardi et al., 2020, D’Acquisto, 2017; Rouse & Sehrawat, 2010)

Übrigens: Was Long-COVID eigentlich ist, ist noch gar nicht so genau erforscht. Long-COVID könnte sich letztlich sogar einfach als „pandemic-fatigue“ (Pandemie-Erschöpfung) herausstellen und/oder auf einen ungesunden Lebensstil vor der Infektion mit SARS-CoV-2 zurückführen lassen, z.B. Mangelernährung (Butler und Barrientos (2020). Jedenfalls ist Long-COVID eine Mediengeschichte, die sich wissenschaftlich nicht gut decken lässt. So haben beispielsweise in der Studie von Sudre et al. (2021) nach 12 Wochen nur noch 2,3 % der Probanden überhaupt Symptome, die alle nicht irreparabel sind und sogar durch psychosozialen Stress verursacht sein könnten. Wo Karl Lauterbach also immer seine Zahlen hernimmt (insbesondere auch bei Kindern, was noch wesentlich schwieriger ist), weiß ich auch nicht. Ich gehe aufgrund der Aktualität (Framing/Priming) und emotionalen Anteilnahme von kognitiven Bias aus.

Fazit: Bei SARS-CoV-2 und COVID-19 muss man „das Rad nicht neu erfinden“. Angst ist in dieser Situation weniger hilfreich, als die allgemeine Motivation das Immunsystem zu stärken.

Forschungsfrage 2: Non-pharmakologische-Maßnahmen (NPIs) in Deutschland und das BPSK

Nach der ersten Forschungsfrage habe ich mich dann der zweiten FF gewidmet: Wie sind die non-pharmakologischen Interventionen während der COVID-19-Pandemie in Deutschland aus biopsychosozialer Perspektive zu beurteilen? Dieser Teil meiner Masterarbeit nimmt wohl am meisten Platz ein, da es hier viel zu sagen gibt. Insbesondere habe ich die nationale Teststrategie, den Lockdown und die MNS-Verordnung untersucht.

Vorweg: Es gibt wenig Evidenz aus Deutschland (!) um die Maßnahmen in Deutschland zu rechtfertigen. Selbst das RKI fasst nur Ergebnisse aus anderen Ländern auf und gibt aufgrund dessen dann für die Regierung Empfehlungen – was ich für sehr schwierig halte (Robert Koch-Institut, 2020e). Es gibt eigentlich nur eine Studie in Deutschland von Wieland (2020), die die Kriterien guter Evidenz erfüllt. Diese kommt zu dem Schluss, dass der Rückgang der Infektions- und Erkrankungszahlen durch freiwillige Verhaltensänderung und die Vermeidung von Massenveranstaltung zu begründen ist. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch eine Analyse (CODAG-Bericht-Nr. 16) von Forschern der Ludwigs-Maximilian-Universiät München (Kauermann, Küchenhoff & Berger, 2021). In dieser Analyse wird auch die Problematik der Störanfälligkeit der 7-Tage-Inzidenz gegenüber dem R-Wert aufgeführt (wie auch Wieland in seiner Arbeit bemerkt).

Anhand des Kausalschleifendiagramms (in Anlehnung an Klement, 2020, S. 3) wird die Komplexität der Maßnahmen deutlich: Die Wirkung von NPIs auf allen Ebenen (Gesellschaft, Ökonomie, Ökologie, Soziales) zu verstehen, ist vielleicht ein Ding der Unmöglichkeit. Deshalb wird in dieser Abbildung auch die Komplexität maximal reduziert, um die Auswirkungen der NPIs überhaupt irgendwie begreifbar zu machen. Nur zum Verständnis: Diese Abbildung liefert also keineswegs eine vollständige und realitätsnahe Auffassung der Wirklichkeit, aber es scheint gerade das Beste zu sein, was wir haben.

Abb. 5: Ein Kausalschleifendiagramm, welches die Komplexität des umweltindividuellen, sozioökonomisch-politischen Systems der COVID-19-Pandemie zeigt. Ausgehend von den NPIs entstehen potentiell nachteilige Auswirkungen auf die Ökonomie, Ökologie, Gesellschaft und das Individuum. Um die NPIs aus biopsychosozialer Perspektive zu beurteilen, muss die Komplexität und Vielschichtigkeit des Themas erkannt und die im BPSK angewandte System-Theorie berücksichtigt werden (Quelle: in Anlehnung an Klement, 2020, S. 3).

Aus dem BPSK wird klar: Veränderungen auf einer Ebene (Biologie) führen auch zu Auswirkungen auf den anderen beiden Ebenen (Psychologie, Soziales). Das heißt: Maskentragen ist nicht nur eine biologische Herausforderung, sondern auch eine psychologische und soziale. Lockdowns sind nicht nur psychische Herausforderungen, sondern auch biologische und soziale. Und Kontaktbeschränkungen sind nicht nur soziale Herausforderungen, sondern auch biologische und psychologische.

Die Vielzahl an Maßnahmen, die erlassen wurde, um das Virus zu stoppen, haben uns am Ende vielleicht ein Eigentor geschossen: Nicht nur, weil aufgrund der Komplexität der dynamischen (Umwelt (vgl. Chaos-Theorie) Kontrollen ganzer Gesellschaften unmöglich sind (Stichwort: Soziodynamik), sondern auch fatal sein können: Die Kollateralschäden werden kaum beachtet, (vermutlich, weil auf die Pandemie mit dem veralteten biomedizinischen Paradigma reagiert wurde) obwohl sie schon jetzt immens hoch sind:

Diverse Forschergruppen kommen inzwischen auch zu dem Schluss, dass NPIs wie Lockdowns und Kontaktbeschränkungen in Deutschland vermehrt zu Gewalt, Angst, Distress, depressiven Symptomen, verringerter Autonomie, verminderter Beziehungsqualität und allgemein schlechterer mentaler Gesundheit, insbesondere auch bei Kindern und Jugendlichen, beigetragen haben (Schwinger et al. 2020; Rothe et al., 2021; Peters et al., 2020, Bäuerle et al., 2020; Jung et al. 2020). Weiterhin lässt sich aufgrund des Lockdowns eine sogenannte „Pandemie-Erschöpfung“ (pandemic-fatigue) feststellen, bei der Menschen, je länger sie dem Lockdown unterliegen, immer stärkere psychologische Schäden erleiden (Moradian et al., 2021).

Nolting, 2021, S. 35

Eine Übersicht zu den Studienergebnissen psychosozialer Kollateralschäden findet sich in der Übersichtstabelle in meiner Masterarbeit auf Seite 43.

Hervorheben möchte ich zum einen noch das Deutsche Netzwerk für Evidenzbasierte Medizin e.V., welches hervorragende Fragen gestellt hat, die darauf zielten, die bestehende Evidenz zu den Maßnahmen und der nationalen Teststrategie in Deutschland zu hinterfragen (Ebm, 2020). In meiner Masterarbeit findet sich auch eine Abbildung hierzu (S. 31). Anhand dieser Grafik wird klar, dass das Infektionsgeschehen (insbesondere die 7-Tage-Inzidenz) nicht besonders hilfreich ist, um die COVID-19-Pandemie zu überwinden, teils sogar sehr fehleranfällig. Vielleicht ist dieser Wert sogar hinderlich: Das Infektionsgeschehen lenkt von wirklich wichtigen Markern wie der Hospitalisierungsrate und den Todesfällen ab. Nichtsdestotrotz: Es lässt sich konstatieren, dass die Modellrechnungen, die eine Überlastung des Gesundheitssystems prophezeiten, wie etwa Barbarossa et al. (2020) oder Belousova (2020), stets ungenügend waren und nie eingetreten sind (was sich auch nicht durch das Präventionsparadox erklären lässt!). Das Ziel der „Vermeidung der Überlastung des Gesundheitssystems“ kann schon lange kein guter Grund mehr für die Erlassung von NPIS sein.

Hier muss zukünftig mehr Skepsis gegenüber solchen Prognosen herrschen, um Angst und Panik zu vermeiden, was wiederum, wie aus dem Kausalschleifendiagramm hervorgeht, die Geschwindigkeit politischer Entscheidungen verringern würde, mit der Maßnahmen erlassen und Folgeschäden produzieren werden (s.o.).

Zum anderen möchte ich noch das Thema der Maskenpflicht hervorheben. Hier hat Daniela Prousa mit ihrer Studie (auch unter Bezugnahme des BPSK) gute Arbeit geleistet. Den Abschnitt meiner Masterarbeit möchte ich, gerade weil er so wichtig ist, ungeschminkt anfügen:

Die Psychologin Daniela Prousa führte 2020 innerhalb ihrer Studie eine um- fassende Befragung zu den psychovegetativen Beschwerden bezüglich der Mund-Nasen-Schutzverordnung durch. Mit besonderem Verweis auf das biopsychosoziale Krankheitsmodell nach George L. Engel (bei ihr „biopsychologisches Modell“ genannt), erklärt sie die Wechselwirkungen zwischen physiologischen und psychologischen Prozessen über die subjektive Intensität von psychovegetativen Stressreaktionen. So können Masken theoretisch zu einem durch die Kognition bedingten Stressfaktor werden, der sich dann auch (z.T. über die Atmung) nachteilig auf den Körper auswirkt. Diese Annahme hat sich auch in der repräsentativen Umfrage von Prousa bestätigt: Über 60 % der Teilnehmer (von 1.010 Fragebögen) leiden unter aversionsbedingtem MNS-Vermeidungsbestreben, sozialem Rückzug, herabgesetzter gesundheitlicher Selbstfürsorge (bis hin zur Vermeidung von Arztterminen) oder der Verstärkung vorbestandener gesundheitlicher Probleme (posttraumatische Belastungsstörungen, Herpes, Migräne). Laut Prousa zeige sich die Dringlichkeit der Überprüfung der Mund-Nasen-Verordnung auch in der Regelmäßigkeit des Gebrauchs der Maske, da regelmäßige psychovegetative Reaktionen zu schwerwiegenden Krankheiten oder schweren psychosozialen Folgen beitragen können (Prousa, 2020).

Zu ähnlichen Ergebnissen wie Prousa kam auch eine deutsche Forschergruppe: Das Review von Kiesilinski et al. (2021) umfasst 44 (zumeist experimentelle) Studien und stellt relevante Nebenwirkungen der MNS-Verordung mit medizinischen Konsequenzen für MNS-Träger fest. Die objektivierte Auswertung ergibt nicht nur kurzfristige Veränderungen in der Atmungsphysiologie mit signifikantem O2-Abfall und CO2-Anstieg, Auftreten von Atemstörungen, Erschöpfung und Kopfschmerzen, sondern auch mögliche langfristige Auswirkungen. Der durch die Masken resultierende Anstieg an CO2 könnte langfristig zu Hyperkapnie führen, ein Phänomen, welches laut Kiesilinski et al. (2021) und Sikter et al. (2017) auch in der Pathogenese von Zivilisationserkrankungen relevant ist.

Nolting, 2021, S. 38-29

In Anbetracht dieser Ergebnisse ist die Ablehnung des Eilantrages von Prousa gegen die Maskenpflicht vor dem Verwaltungsgericht Berlin höchst erstaunlich. Die Begründung ist indiskutabel unzureichend und zeigt einmal mehr auf, dass in Deutschland kein Interesse an einer integrativen Sicht auf Gesundheit mit einer erweiterten Medizintheorie nach Engel (1977) besteht: „Ein Eingriff liegt nicht bereits vor, wenn nur das psychische oder seelische Wohlbefinden betroffen ist, vielmehr muss die körperliche Unversehrtheit tangiert sein.“ (Verwaltungsgericht Berlin, 2020; Berliner Vorschriften- und Rechtsprechungsdatenbank, 2020, S. 5).

Fazit: Eine Nutzen-Schaden-Abwägung von Maßnahmen muss dringend auch auf nationaler Ebene berücksichtigt und aufgearbeitet werden, um potentiellen Schaden zu vermeiden. Kampf & Kulldorf (2021) haben eine gute Forderung formuliert. Sie schreiben: Wissenschaftler, Beamten des öffentlichen Gesundheitswesens, Journalisten und Politiker haben alle kurzfristigen bzw. langfristigen geistigen und körperlichen Kollateralschäden durch die COVID-19-Kontrollmaßnahmen abzuwägen und zu berücksichtigen.

Diskussion

Schlussendlich habe ich dann nach den Forschungsfragen und den Übersichtstabellen der Forschungsergebnisse den Diskussionsteil geschrieben. Dazu gehörten ein Fazit, aber auch Operationalisierungen zukünftiger Forschungsfragen und Stärken sowie Limitationen dieser Arbeit.

Ideen für zukünftige Forschung:

  1. Die Rolle des Immunsystems in Beziehung zu anderen internalen (Mikrobiom, endokrines System, zentrales Nervensystem etc.) und externalen (Beziehungen, Gesellschaft, Umwelt etc.) Systemen als Schutz vor COVID-19
  2. Die Auswirkung durch die Internalisierung von sozialen Werten, die durch die COVID-19-Pandemie in Deutschland entstanden sind und dessen Auswirkungen auf die biopsychosoziale Gesundheit
  3. Der Einfluss medialer Berichterstattung über Pandemien auf das psychische, physische und soziale Wohlergehen und die Krankheitsanfälligkeit

Letztlich ist noch eine Übersicht zu den Stärken und Limitation zu dieser Arbeit erheblich. Diese findet sich sehr übersichtlich in folgender Tabelle:

StärkenLimitationen
Kontextualisierung verschiedener Hypothesen in eine übergreifende Medizintheorie (BPSK)Zumeist geringe Qualität & Quantität bisheriger Studien zum BPSK 
Ausgewogene Suchstrategie und -auswertungFormale Vorgaben
Übersicht zu StudienergebnissenEffektstärke von PIs auf NPIs unbestimmt
Reflexion einer Nutzen-Schaden-Abwägung
Darstellung der Komplexität des Geschehens

Hinweise & Ergänzungen:

Das Schreiben der Masterarbeit hat mir großen Spaß gemacht. Der Zeitraum erschloss sich etwa über 3 Monate intensiver Recherche. Ich habe viele interessante Forscher und wissenschaftliche Arbeiten entdeckt und konnte meinen Wissenshorizont enorm (integrativ, ganzheitlich) erweitern. Außerdem konnte ich bestimmte Thesen, die ich bereits in meiner COVID-19-Analyse (2020) vertreten habe, besser einordnen. Dies hat sich schlussendlich dann auch in meiner Arbeit (und der Bewertung) gezeigt: Die COVID-19-Pandemie ist ein Thema, in das ich mich sehr stark vertieft habe und dies haben die Prüfer gemerkt.

Dennoch bin auch ich nicht fehlerfrei oder allwissend. So habe ich beispielsweise eine Arbeit (Experimental Assessment of Carbon Dioxide Content in Inhaled Air With or Without Face Masks in Healthy Children: A Randomized Clinical Trial) von Walach et al. (2021) in meine Masterarbeit eingebunden, die kurz vor Abgabe (16. Juli) noch vom Journal (JAMA Network) zurückgezogen (retracted) wurde. Ich hoffe, dass meine Arbeit nun nicht in diese Richtung polarisiert wird und, dass nur auf die zurückgezogene Studie verwiesen wird und wie unwissenschaftlich diese ist (nennt man übrigens „Cherry Picking“). Diese Studie ist letztlich auch nur ein Argument (und auch kein Hauptargument bzw. keine Schlüsselthese) in einer logischen Argumentationskette, wie ich finde. 

Außerdem bin ich mir auch selbst nicht sicher, was ich vom Rückzug des Journals halten soll (insbesondere, weil die Prüfer vor Veröffentlichung ihr OK gegeben haben, also dürfte eine grundsätzliche Validität gegeben sein). Ich kann mir auch vorstellen, dass die gesellschaftlichen Implikationen dieser Studie für das Journal zu heikel waren – dies befinde ich als einen berechtigten Gedanken. Hier kann ich allerdings nur spekulieren.

Jedenfalls hatte ich auch meine Gründe, warum ich diese Studie überhaupt mit eingebunden habe:

Die Studie diente meiner grundsätzlichen Skepsis gegenüber dem Nutzen von Masken, insbesondere bei Kindern, die völlig wehrlos fast jeden Tag in der Schule Masken tragen müssen. Für mich bräuchte es keine Studie, um festzustellen, dass Masken Kindern nicht guttun. Man kann die Kinder ja auch einfach fragen (und hier zählt die Erfahrung jedes Kindes, nicht nur die Statistik). Aber weil dies nicht beachtet wird (das eigene psychologische Wohlbefinden ist in dieser Pandemie schließlich nicht so wichtig wie das Virus zu stoppen), muss man dann auf Studien zurückgreifen. Noch erstaunlicher als die Ergebnisse von Prousa (2020) oder Kiesilinski et al. (2021) waren daher für mich jene von Walach et al. (2021). In meiner Arbeit schrieb ich:

„Insbesondere auch für Kinder könnte das Maskentragen mit erheblichen Risiken einhergehen. Walach et al. (2021) stellten in ihrer Studie die mehrfache (bis zu 6-fache) Überschreitung des vom Umweltbundesamt festgelegten Grenzwertes von Kohlenstoffdioxid in Räumen (2.000 ppm) nach drei Minuten unter der Maske bei gesunden Kindern fest (Bekanntmachung des Umweltbundesamtes, 2008). Hierbei schienen jüngere Kinder höhere Werte aufzuweisen. Selbst der geringste Wert eines Kindes lag immer noch 3-fach über dem Grenzwert, ab dem es gesundheitsschädlich werden kann. Die Tatsache, dass Kinder über einen Zeitraum von vielen Monaten gezwungen waren (und teilweise noch sind), in der Schule Masken zu tragen, lässt Folgeschäden nicht ausschließen.“

Nolting, 2021, S. 39

Wer genau gelesen hat, stellt auch fest, dass ich sehr vorsichtig formuliert habe: Maskentragen könnte (!) mit Risiken einhergehen. Könnte bedeutet womöglich und nicht absolut. Nach dieser Formulierung habe ich dann die Studie auch nur beschrieben, nicht interpretiert.

Wie dem auch sei, die Studie wurde vom Journal mit der Begründung zurückgezogen, dass wissenschaftliche Ungenauigkeiten festgestellt wurden. Soweit ich das beurteilen kann, hat Walach jedoch die Zweifel ausreichend begründet (JAMA und viele Mainstream-Portale sahen das anders). Dies könnt ihr auch selbst hier nachlesen: 

Hier die Begründung der Autoren auf Retractionwatch nachlesen.
Hier die Stellungnahme von Walach nachlesen.

Diese Studie bleibt also (in dieser sowieso schon hitzigen Diskussionskultur) vorerst ein Streitpunkt.

Addendum zum 2. Juni 2022: Die Studie von Walach et al. wurde neu publiziert (hier bei ScienceDirect zu finden). Ausführliche Erläuterungen zur Studie, Neuveröffentlichung und weitere Gedanken hat Harald Walach in seinem Blog veröffentlicht.

Ich möchte nochmal darum bitten, diese Masterarbeit nicht aufgrund einzelner Studien zu bewerten (einzelne Studien sind auch wichtig, keine Frage), sondern auch versuchen, die Argumente für die hier dargelegte Position nachzuvollziehen. Dieses Anliegen ist auch im Sinne soziokultureller Werte und psychosozialer Risikofaktoren als dringlich einzustufen.

Vielen Dank fürs Lesen.

Herzlich
Tristan

Überraschung, Überraschung: Es gibt schon wieder ein neues Buch von mir! Damit sind es schon drei neue dieses Jahr… man munkelt, dass ich fleißig war. Jedenfalls stelle ich dir in diesem Blogartikel vor, worum es in diesem Buch geht. Kleiner Spoiler: „Die Würde des Ungeimpften“ ist ein Manifest von mir und Christopher Reusch gegen die Diskriminierung von ungeimpften Menschen!

Teil 2 des Trailers könnt Ihr hier ansehen

Medienecho:

Pressemeldung bei OpenPR
Gastbeitrag bei 1bis19
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Mein fünftes Buch: „Die Würde des Ungeimpften“

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Verlag: Tredition
Seitenzahl: 254
Wörter: ca. 48.000
Format: DIN Taschenbuch (19×12,5cm)
Veröffentlichungsdatum: 1. Dezember 2021
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Der Klappentext zum Buch lautet:

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„Die Würde des Ungeimpften“ soll der Gesundheitsdiktatur und der Spaltung der Gesellschaft entgegenwirken. Mit anschaulichen Kurzgeschichten über die Freiheit wird dem Leser aufgezeigt, welche irrwitzigen und tragischen Wege das Leben im 21. Jahrhundert angenommen hat.

Und wie die Gesellschaft wieder zu einem sinnvolleren Leben zurückkommen kann.

Die Würde des Ungeimpften – Ein Freiheitsgelübde in Kurzgeschichten (2021)

Du siehst, lieber Leser, mein guter Freund & Co-Autor Christopher und ich haben schon in der Zusammenfassung des Buches klare Worte gefunden. Noch deutlicher sind wir dann auch in unserem Buch „Die Würde des Ungeimpften“ geworden, denn wir haben unsere Gedanken Zum Zeitgeschehen in Form von Kurzgeschichten verpackt. Aktueller und metaphorischer kann ein Buch wirklich nicht sein.

Wir sind gegen die bewusste Diskriminierung, gegen die unverhältnismäßigen Einschränkungen und gegen die zunehmende Ungleichbehandlung von friedlichen und insbesondere ungeimpften Menschen! Das aktuelle Klima ist weder förderlich für den Ausgang der Pandemie, noch hilft es uns dabei, einen konstruktiven Austausch zu schaffen. Wir beobachten zunehmend, dass geimpfte Menschen ungeimpfte Menschen diskriminieren. Außerdem beobachten wir, dass ungeimpfte Menschen zunehmend wütend auf geimpfte Menschen für die Schikane werden. Beide Seiten sind verständlich, denn schließlich wollen wir endlich wieder freiheitlich leben können. Nur leider wird der Diskurs von Politikern und Medien zunehmend blockiert und in falsche Bahnen gelenkt… dabei bräuchten wir doch unbedingt den Austausch! Nicht nur, um gemeinsam Lösungen für die aktuelle Misere zu finden, sondern auch um unsere sozialen Bedürfnisse zu befriedigen.

Aber was können wir für dieses Ziel tun? In unserer Situation erscheint es geradezu unmöglich, einen alternativen Weg zu gehen und diesen mit friedlichen Methoden einzuleiten. Selbst der Versuch von #coronaaussoehnung hat nicht funktioniert.

Wir könnten sicherlich viele Fakten zur COVID-19-Pandemie und zur Diskriminierung nennen. Wir könnten darauf verweisen, wie Schweden die Krise gemeistert hat. Wir könnten auf wissenschaftliche Arbeiten wie die vom renommierten Epidemiologen John P. Ioannidis verlinken. Wir könnten über die Aufklärungsarbeit von Institutionen wie Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung e.V., Swiss Policy Research oder Multipolar berichten. Auf der anderen Seite könnten wir bemerken, dass ungeimpfte Studenten an manchen Universitäten keinen Zugang mehr bekommen und Österreich für 2022 eine generelle Impfpflicht angekündigt hat. Aber schlussendlich haben wir bemerkt, dass diese Debatte weniger faktisch und mehr emotional ist.

Es geht hierbei um Angst und welche Rolle der Tod in unserer Gesellschaft spielt.

Die derzeitige Krise ist also kein epidemiologisches Dilemma – dies wurde auch bereits von einigen Forschern bemerkt und daher wurde der Ansatz versucht, die „Pandemie“ in eine „Syndemie“ umzubenennen – sondern auch eine philosophische Tragödie. Die Menschen haben vergessen oder verdrängt zu philosophieren und zu reflektieren! Und zwar darüber, was sie vom Leben und wollen und was sie erwarten.

In unserer aktuellen Situation macht es den Anschein, als würden die Menschen ihre eigene Verwundbarkeit unterdrücken wollen. Sie wollen sich nicht darum bemühen, ihre Verletzlichkeit anzuerkennen und potentiellen Gefahren vorzubeugen – sie wollen ihr selbstzerstörerisches Verhalten (rauchen, trinken, fernsehen, shoppen, Fastfood essen, Angst haben, Medien konsumieren…) immer weiter fortsetzen.

Das kann natürlich nicht der Sinn des Lebens sein. Und das kann auch keinem klar denken Menschen ein wirklich sinnerfülltes Leben bieten!

Ein sinnerfülltes Leben kann nur derjenige führen, der Verantwortung für sich selbst übernehmen kann. Eine Impfpflicht – genauso wie alle anderen Maßnahmen während der Pandemie – sind nur möglich, weil die Menschen keine Verantwortung übernehmen können. Damit meine ich nicht, dass die Menschen sich nicht an die Regeln der Regierung halten – im Gegenteil. Die Maßnahmen können nur dann umgesetzt werden, wenn die Menschen nicht daran glauben können, dass sie – wie es in der biopsychosozialen Medizin heißt – eine autoregulative Selbstkompetenz besitzen (Mehr dazu findest du auch im Buchtrailer und in der Einleitung des Buches).

Der Begriff der „autoregulativen Selbstkompetenz“ beschreibt ganz einfach den Zusammenhang zwischen dem eigenen Motiven, dem Verhalten und der Gesundheit des eigenen Körper-Geist-Systems. Alles drei hängt zusammen, genauso, wie auch Körper, Geist und Soziales analog miteinander verbunden sind. Ich weiß wovon ich da spreche, denn schließlich habe ich über das Biopsychosoziale Gesundheitsmodell in Bezug auf die COVID-19-Pandemie in Deutschland meine Masterarbeit geschrieben.

Anstatt diese Krise also weiterhin faktisch anzugehen, versuchen wir einen Neustart: Wir wollen allen Menschen eine Perspektive bieten, die über die Sachebene hinausgeht. Wir wollen jedem Interessierten eine Geschichte erzählen, die unsere aktuelle Zeit reflektiert. Wir wollen unsere Erzählungen mit Poesie, Ironie und Zynismus würzen, damit auch wirklich jeder einen Zugang zu diesem Thema bekommt.

Wir wollen mit unserem Buch keine Schuldzuweisung formulieren! Wir sehen es in unserer Pflicht zu reflektieren, wie wir in 20 oder 30 Jahren auf die aktuelle Situation schauen werden. Können wir dann mit gutem Gewissen sagen, dass wir alles Mögliche getan haben, um eine ethische Verwahrlosung zu verhindern?

Ich – Tristan Nolting – werde meinen Enkeln in 50 Jahren erzählen, dass ich die Diskriminierung nicht hingenommen habe. Ich habe für die Würde, für das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Autonomie gekämpft. Wir möchten jeden bitten, dies ebenso zu tun.

Eine Geschichte aus unserem Buch wollen wir bereits in diesen Blogbeitrag mit einfließen lassen.

Eine Spritze voller Liebe

Dies ist die Geschichte von Mino Weiß, einem 14 Jahre alten Achtklässler auf einem Gymnasium. Die Stadt spielt in dieser Geschichte keine Rolle, es könnte jede Stadt in Deutschland oder einem anderen Land sein.
 
Mino ist ein guter Junge, der brav auf das hört, was seine Eltern ihm sagen. Er versucht stets seine Eltern zu beeindrucken, indem er gute Noten schreibt und bei seinem Lieblingshobby, dem Fußballspielen, sein Bestes gibt. Seine Eltern sind auch sehr stolz auf ihn und erzählen regelmäßig den befreundeten Paaren, welche neuen Erfolge Mino in der Schule oder beim Sport erzielt hat.
Seit Mino klein ist, möchte er Arzt werden wie sein Vater. Sein Vater ist aber kein klassischer niedergelassener Arzt, der nach der gängigen schulmedizinischen Methode handelt, sondern nach den Leitlinien der naturheilkundlichen Therapie, genauer gesagt der Homöopathie. Häufiger schon wurde der Junge auf seinen Vater angesprochen, da Dr. Weiß in der Stadt sehr bekannt ist. Im Grunde genommen gibt es da zwei Lager. Die einen sind zutiefst überzeugt von Dr. Weiß und seinen Methoden, die anderen verachten ihn dafür, dass er sich von den streng wissenschaftlichen Leitlinien verabschiedet hat. Lustigerweise waren diejenigen, die von Dr. Weiß überzeugt waren gerade die, die schon einmal in Behandlung bei ihm waren, während diejenigen, die ihn verachteten, einfach Vorurteile hatten. Aber so viel zum Thema Wissenschaft und Erfahrung.

Mino hatte mit der Zeit gelernt, mit negativen Kommentaren gegenüber seinem Vater umzugehen. Meistens erwiderte er nur „Ich vertraue meinen Eltern. Vertraust du deinen?“
 
Dies war tatsächlich auch nicht gelogen. Mino wurde schon öfter von seinem Vater behandelt und wusste daher, dass die Homöopathie eine sinnvolle Heilmethode war. Mino war auch schon nach schulmedizinischen Methoden behandelt worden, aber diese hatten für ihn immer erhebliche Nebenwirkungen bedeutet. Insbesondere die Behandlung mit Schmerzmitteln – eine Marke sei an dieser Stelle nicht genannt - führte bei ihm oft zu starken Entzündungen im Körper. Wie sagt man so schön: „Keine Wirkung ohne Nebenwirkung.“ Der ausschlaggebende Punkt für Dr. Weiß war jedoch, als ein befreundeter Arzt am Universitätsklinikum im Alter von sechs Jahren Stimmbandknötchen bei Mino festgestellt hatte. Von nun an sollte sich Mino vierteljährlich auf unbestimmte Zeit einer Operation unterziehen, damit die Knötchen nicht größer wurden.
 
Dies veranlasste Dr. Weiß mit der Schulmedizin zu brechen. Er suchte mit Mino einen Homöopathen auf, der ihm ein Mittel („C-irgendwas“, wie Mino gerne zu sagen pflegte) gegen die Krankheit verschrieb. Und siehe da: Innerhalb weniger Wochen war die Beschwerde abgeheilt und trat nie wieder auf.
 
Die Einfachheit der Anwendung und die Abgestimmtheit der Homöopathie auf den Patienten stimmten Dr. Weiß schließlich dazu ein, selbst Homöopath zu werden. Er wusste, dass der Schritt nicht leicht wird. Viele namhafte Ärzte hatten schon ihren Ruf verloren, weil sie die Heilmethode gewechselt hatten. Nun, da Mino vor Kurzem 14 geworden ist, wendet Dr. Weiß schon seit mehreren Jahren die Homöopathie erfolgreich an.

Natürlich war Mino in seiner Kindheit auch geimpft worden. Nicht gegen alles, aber gegen so manches. Im Gegensatz zu den meisten Ärzten nahm sich Dr. Weiß immer Zeit, um eine ausgewogene Risiko-Nutzen-Abwägung für seine Patienten anzustellen, insbesondere auch bei seinem Sohn. Er hielt es für unmöglich, wie manche Ärzte sich nur zehn Minuten oder noch weniger Zeit für ein Impfaufklärungsgespräch nahmen. Aber Dr. Weiß wusste auch, dass dies am System lag. Würde ein Impfgespräch auch ohne erfolgreich vermittelte Impfung vergütet werden, würden wahrscheinlich sehr viel weniger Kinder geimpft werden. Aber da er selbst kein Kinderarzt war, ging er letztlich mit seinem Sohn zu einem Kollegen, der ähnlich dachte.

Wogegen er sich jedoch ganz und gar wehrte, war der Druck, Mino vor COVID-19 impfen zu lassen. Nur zum Verständnis: Dr. Weiß war ganz und gar kein Impfgegner! Er erkannte den Wert, den das Impfen der Menschheit gebracht hatte. Impfungen konnten vor vielen Krankheiten schützen und haben dies auch schon oft in der Menschheitsgeschichte bewiesen.

Bei COVID-19 war dies jedoch anders. Oft redete er mit Mino, um ihm klar zu machen, dass er keine Angst zu haben brauche, COVID-19 zu bekommen. Er habe ein starkes Immunsystem, das mehr als fähig sei, dieses Virus auszuhalten. Auch ganz ohne Schmerzen! Mino würde, so sagte er ihm, ganz bestimmt nicht schwer an der Infektion erkranken, egal was die anderen zu ihm sagen würden. Für Mino bedeutete COVID-19 nicht mehr als ein grippaler Infekt. Außerdem würde er auch niemand anderes durch die Impfung schützen, da die Impfung keine sterile Immunität erzeuge.

Mino vertraute seinem Vater auch in dieser Hinsicht. Doch leider ging es hier weniger um eine individuelle Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses.

Eines Tages kam Mino von der Schule nach Hause. Seine Mutter fragte ihn, warum er so bedrückt gucken würde, doch Mino antwortete nur: „Es ist nichts.“ Als dann abends sein Vater Dr. Weiß nachhause kam, berichtete ihm seine Frau, dass Mino sehr niedergeschlagen sei und den ganzen Tag auf seinem Zimmer verbracht hatte. Also klopfte Minos Vater am Kinderzimmer und fragte, ob er reinkommen dürfte: „Ja, komm herein.“

„Hey, deine Mutter hat mir erzählt, dass du den ganzen Tag auf deinem Zimmer geblieben bist… ist alles in Ordnung?“, fragte der Vater vorsichtig. „Ich möchte nicht darüber reden.“, gab Mino zurück. „Bist du dir sicher? Manchmal ist es sehr hilfreich, wenn man sich seinen Frust von der Seele redete.“

Mino schaute weg und überlegte einen Moment.

„Okay, ich sage es dir, aber versprich mir, dass du nicht gegen meine Entscheidung bist!“

Der Vater guckte erschrocken. „Was mag der Junge nur haben?“, fragte er sich. Schließlich antwortete Dr. Weiß: „Nun gut, ich sage dir meine Meinung, aber ich werde dich nicht umstimmen.“

Sein 14-jähriger Sohn antwortete ihm: „Der Tag heute war schrecklich! Weißt du, bisher hat es mir nie etwas ausgemacht, nicht geimpft zu sein. Aber heute war es anders. Uns wurde in der Schule gesagt, dass wir demnächst auf Klassenfahrt fahren. Alle dürfen mit, aber nur, wenn sie geimpft sind! Und… dann… du weißt doch, ich habe dir letztens erzählt, dass unsere Schule vor dem Sommer eine Jugend-Disco veranstaltet. Unsere Lehrer haben uns aufgefordert, Mädchen zu fragen, ob sie mit uns tanzen wollen. Also habe ich heute all meinen Mut zusammengenommen und Arielle gefragt… Aber (und er fing an zu schluchzen) … Sie hat gesagt, dass sie nicht mit mir tanzen will, weil ich nicht geimpft bin…“

Der Vater blickte traurig seinen Sohn an. Er wusste nicht, was er sagen sollte.

„Ich will mich impfen lassen!“, schluchzte Mino, „bitte Papa! Sonst werde ich nicht mehr glücklich.“

„Aber Mino …“, Dr. Weiß wollte gerade protestieren, doch dann merkte er, wie ernst es um seinen Sohn war. Er nahm seinen Sohn in den Arm.

„Weißt du, mein Sohn…“, fing Dr. Weiß an, „…das Wichtigste war mir immer, dass du gesund und glücklich bist. Und auch wenn ich glaube, dass du die Impfung nicht brauchst, so will ich nicht, dass du unglücklich bist. Ich mache einen Termin für gleich nächste Woche aus. In Ordnung?“

„Danke Papa, du bist der Beste!“, platzte es aus Mino heraus. 
„Und nun komm, es gibt Abendessen.“

Und während Mino schon mal zum Abendessen vorging, ging Dr. Weiß kurz in sein Arbeitszimmer. Für einen Moment kamen viele Gefühle in ihm auf. Wut. Trauer. Verzweiflung. Und dann dachte er sich: „So weit ist es also schon gekommen? Wir machen eine Impfentscheidung von der sozialen Teilhabe abhängig? Wie vielen Kindern ist es wohl schon so gegangen? …

…ist das noch die Medizin, an die ich glauben kann?“

Für das weitere Lesen und Stöbern wünschen viel Spaß!

Christopher Reusch & Tristan Nolting
1. Dezember 2021


Autorenportraits

Geschrieben von Tristan

Christopher Reusch ist ein freundlicher und umsichtiger Zeitgeist, der gerne auf Deutsch und Englisch philosophiert. Genauer gesagt ist er Autor, Podcaster und Waldliebhaber.

Wenn er nicht gerade den Wald zum Abenteuerspielplatz macht, dann lässt er uns über seine Kanäle (https://christopher-reusch.com) an seinen vielfältigen Erkenntnissen teilhaben. Am liebsten spricht er über Spiritualität, Angst, Ernährung und Workouts (Calisthenics). Und mit diesen Themen hat er nicht zu wenig Erfahrungen gesammelt…

Neben seiner Spontanität zähle ich den Mut zu seinen bedeutendsten Eigenschaften. Mal eben mit dem Fahrrad 300km nach Amsterdam fahren? Bei Nacht im Wald die Slackline spannen und dann akrobatisch über das Seil tanzen? Das kann nur Christopher. 

Christopher zeigt uns auch in hoffnungslosen und dunklen Situationen, wie wir unser Licht zum Leuchten bringen können. Wenn du dich für seine intuitive Sichtweise öffnen kannst, wirst du eine Menge lernen.

Hör doch einfach mal bei „Spiritual advice from a barbarian lunatic“ rein!

Geschrieben von Christopher

Tristan Nolting ist der beste Freund, den du haben kannst. Er ist wortgewandt, respektvoll und voller Wissen. Zumindest ist er das, wenn dein Ego mit ihm klarkommt. Wenn es das nicht tut, dann ist Tristan immerhin ein hervorragender Diskussionspartner, denn auch hierbei wird er niemals unter die Gürtellinie zielen.

Mir wurde Tristan damals von einem gemeinsamen Freund mit den Worten: „Das ist Tristan. Er hat ein Buch geschrieben.“, vorgestellt. Sofort hatte ich das Gefühl, ich wollte ihn näher kennenlernen. Wieso konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht sagen, aber ich wusste, dass dies der Beginn einer wunderbaren Freundschaft werden würde.

Umso glücklicher war ich natürlich, als sich herausstellte, dass Tristan und ich ein Projekt gemeinsam starten würden. Da dieser Abschnitt Tristan vorstellen soll, versuche ich mich kurz zu halten und ihn wirklich akkurat zu beschreiben:

Tristan bildet sich sehr gerne weiter und liest Bücher, bei denen die meisten einfach weglaufen oder gar nichts verstehen würden. Tristan steckt voller Kraft und man sollte ihn trotz seines ruhigen Auftretens nicht unterschätzen.

Er ist ein sehr fokussierter Mensch und weiß vermutlich gar nicht, was Langeweile ist. Dazu hat er nämlich zu viele Ideen und Projekte, die ihn beschäftigt halten. Sein Podcast, seine Bücher und noch vieles mehr aus seiner Kreativkiste findest du auf seiner Homepage.


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DENK MAL Podcast

DENK MAL an Philosophie & Spiritualität ☼☾

Dieser Podcast ist ungewöhnlich, denn hier geht es ums Ganze. In spannenden Folgen sollen die Ideen unterschiedlichster Denker der Philosophie und Spiritualität deinen Horizont bereichern und ein Bild von Lebendigkeit und Beseeltheit erschaffen. Sei es nun zum Thema Gesundheit, Natur oder Selbsterkenntnis – alles hängt zusammen.

Außerdem wird Tristan dir ganz persönliche Geschichten und Erlebnisse aus seinem Leben erzählen. Was hat ihn zu dem tiefgründigen und spirituellen Menschen werden lassen, der er heute ist? Antworten dazu findest du in diesem Podcast oder auf seiner Webseite.

Aber keine Sorge, dabei kommst du nicht zu kurz. Die verschiedenen Perspektiven, die dir beim DENK MAL Podcast geboten werden, sollen DICH zum Reflektieren anregen. Was wäre all dieses Wissen wert, wenn du es nicht anwendest?

☼ Setz dich in Bewegung und die Welt mit dir! ☽

Wir alle haben nur eine begrenzte Lebenszeit. Dies wird uns gerade in dieser Epoche immer wieder aufgezeigt. Überall lauern Krankheiten, die den Tod bedeuten können. Das macht dem kleinen Ego mächtig Angst und hält es gefangen in einem Strudel der Unsicherheit. Wie aber können wir diese Unsicherheit überwinden, um die eigene Lebenszeit sinnvoll nutzen zu können?

Philosophie der Zeit

Wenn ich von Zeit spreche, ist damit einerseits die eigene Lebenszeit gemeint, andererseits auch der generelle Gedanke an die Zeit. Fangen wir mit der generellen Sicht auf die Zeit an.

Was ist Zeit? Im Grunde genommen ist Zeit nach all den Jahrtausenden der Grübelei und Philosophie nach wie vor ein Mysterium. Niemand kann sagen, aus welchem Urgrund die Zeit entspringt, wir wissen nur, dass sie da ist. Wir können sie schließlich messen.

Sir Isaac Newton (*1642, †1727), der einst als Halbgott geltende Physiker, sagte über das objektive Wesen der Zeit:

Die absolute, wahre und mathematische Zeit verfließt an sich und vermöge ihrer Natur gleichförmig und ohne Beziehung auf irgendeinen äußeren Gegenstand.

Mathematische Grundlagen der Naturphilosophie, 1687.

Und weiter beschreibt er auch das subjektive Wesen der Natur:

Die relative Zeit, die unmittelbar sinnlich wahrnehmbare und landläufig so genannte, ist ein beliebiges sinnlich wahrnehmbares und äußerliches Maß der Dauer, aus der Bewegung gewonnen (sei es ein genaues oder ungleichmäßiges), welches man gemeinhin anstelle der wahren Zeit benutzt, wie Stunde, Tag, Monat, Jahr.

Mathematische Grundlagen der Naturphilosophie, 1687.

Newton war sich somit sehr wohl bewusst, dass es zwar eine absolute Annahme der Zeit gibt, diese jedoch auch in Abhängigkeit zur eigenen Wahrnehmung und Empfindung steht. So mag die Uhr durchaus einem immer gleich bleibendem Takt folgen, der Wahrnehmende selbst mag dieses Voranschreiten der Zeit jedoch ganz anders empfinden. Zeit ist somit in gewissem Maße abhängig vom Bewusstsein, ferner von der Bewegung oder Aktivität des Bewusstseins, welches die Zeit empfindet.

Den Ursprung der Zeit konnte Newton nicht festmachen. Newton war der festen Überzeugung, dass das Universum von Gott wie ein Uhrwerk aufgezogen wurde, dass der Mensch mittels seines Verstandes nun entdecken und prognostizieren konnte. Für ihn war das Universum schlicht eine Frage der Genauigkeit: Je genauer der Beobachter hinzuschauen vermag, desto mehr präzise physikalische Gleichungen wird er auch erhalten.

Dennoch war Newton der Überzeugung, dass es Gott geben müsse – wie kann das sein?

Für Newton stand fest, dass es mehr Ungereimtheiten und Ungenauigkeiten über das Universum gibt als Gleichungen. Die Zeit war vielleicht das einzig Absolute bei Newton. Aber auch nur in ihrer objektiven Betrachtung. Denn wenn wir die subjektive Komponente hinzuziehen, die ja niemals völlig außen vor bleiben kann, wie wir seit dem 20. Jahrhundert um Quantenphysiker wie Werner Heisenberg wissen, wird die Betrachtung der Zeit schon sehr viel schwieriger.

Wenn Zeit kein völlig objektives bzw. äußerliches Phänomen sein kann, ist es auch niemals vom Raum getrennt. Der Raum kann nur existieren, wenn sich innerhalb des Raumes ein Beobachter befindet, der den Raum erkennt. Die Raum-Zeit-Beziehung kann neu aufgefasst werden und auch wissenschaftlich von einem anderen Punkt aus definiert werden, der in der Wissenschaft (immer noch) recht unüblich ist: Beim Subjekt.

Zeit und Raum ohne Subjekt zu denken, ist wunderbar und führt sicherlich zu vielen spannenden Erkenntnissen. Letztlich geht es jedoch auch ganz pragmatisch einfach darum, welche Bedeutung Zeit für das Subjekt hat. Zeit ohne Subjekt – was kann da der tiefere Sinn sein? Wenn kein Subjekt da ist, kann es letztlich auch nicht über die Zeit nachdenken.

Zeit im Alltag

So lassen sich schon im Alltag bestimmte Beobachtungen über die Zeit machen:

  • Die Zeit vergeht unterschiedlich schnell, je nachdem, wie die Zeit empfunden wird
  • Zeitempfinden kann den Organismen des Menschen über Stress schädigen…
    ….aber auch heilen (in der Meditation wird Zeit „vergessen“)
  • Die Struktur im Alltag hilft bei der Produktivität und Effizienz… also beim Zeit sparen

Wie wir anhand dieser Auflistung sehen, ist Zeit ziemlich stark abhängig von der eigenen Interpretation. Sind wir spät dran, so haben wir Angst zu spät zu kommen, denn es könnte ja Ärger geben. Pünktlich zu sein ist hingegen ein Zeichen von Anstand und Respekt! Das Zeitmanagement ist in vielen Ländern der Welt so genau getaktet, dass es erheblich zum Wohlstand der Welt beiträgt.

Letztlich kann der Umgang mit Zeit zu wirklich allem führen. Es kommt jedoch ganz darauf an, wie mit der persönlichen Lebenszeit umgegangen wird. Wenn Aktivitäten, die guttun, vermehrt werden, dann kann dies zu dauerhafter Zufriedenheit beitragen. Wenn manchen Aktivitäten jedoch zu viel Zeit zugeordnet wird, kann dies schon wieder schädlich werden oder unzufrieden machen.

Zeit ist interessanterweise also ein Indikator für Gleichgewicht (Ich erinnere an Paracelsus Ausspruch: „Die Dosis macht das Gift.“). Aber warum ist dem so?

Zeit folgt einem bestimmten Rhythmus. Jeder kennt das Geräusch einer Uhr: Tik. Tak. Tik. Tak. Tik. Tak. Auf ein Geräusch folgt eine Pause. Dann wieder ein Geräusch und eine Pause. Und immer gleichmäßig so weiter. Viele Menschen werden von diesem Geräusch wahnsinnig (gerne mal selbst fragen wieso…). Aber grundsätzlich zeigt sich in dem Geräusch der Uhr auch der Puls des Lebens.

Puls des Lebens, was meine ich damit? Es ist eine alte esoterische Weisheit, dass die Wirklichkeit polar aufgebaut ist. Dies habe ich schon häufig auf meinem Blog, Podcast und in meinen Büchern angesprochen und soll daher hier nicht (schon wieder) ausführlich behandelt werden. Für mich zeigt sich jedoch auch in der objektiven und subjektiven Zeit die Ausgeglichenheit eines Menschen. Denn: Je ausgeglichener ein Mensch für mich ist, desto besser hat er beide Pole (Licht und Schatten, Leid und Freude, Leben und Tod, Gesundheit und Krankheit, Chaos und Ordnung) in seine Wahrnehmung integriert.

Buddhistische Weisheiten

Wer den Rhythmus des Lebens akzeptiert hat, der wird keine Probleme mit Alterung haben, mit potentiellem Leid und Krankheit, mit Tod, mit Einsamkeit oder Enttäuschung. Um den Rhythmus des Lebens anzunehmen, muss jedoch gleichzeitig akzeptiert werden, dass es schlicht Zeit gibt. In mancherlei Esoterik-Kreisen wird schon darüber gesprochen, dass Zeit unwirklich ist, bevor akzeptiert wurde, dass der Körper dennoch auf den Verfall ausgelegt ist.

Die Basis dafür, dass eine Existenz außerhalb der Zeit angenommen werden kann, ist für mich die Akzeptanz darüber, dass wir in diesem Leben zeitlich limitiert sind. Oder, wie die Buddhisten sagen: Alles ist vergänglich. Die edlen vier Wahrheiten des Buddha sind zugleich eine Lehre von der Annahme der Zeit:

1. Dukkha: Glück ist vergänglich, Leben ist Leiden.
2. Samudaya: Ursachen für Leid sind Gier, Hass und Verblendung. Das Leiden entsteht also, weil die Menschen immer mehr haben wollen als sie besitzen und nicht zufrieden sind mit dem was sie haben.
3. Nirodha: Das Leiden hört auf, wenn die Menschen diese Ursachen überwinden.
4. Magga: Es gibt einen Weg zum Glück. Das ist der Achtfache Pfad.

Wenn die Buddhisten sagen „Glück ist vergänglich“, meinen Sie damit, dass es bedeutungslos ist, kurzfristigen Freuden hinterherzurennen. Das eigentliche Ziel des Buddhismus ist ja dauerhafte Zufriedenheit bzw. Glückseligkeit. Diese kann jedoch nicht innerhalb der Zeit gefunden werden, da Zeit flüchtig ist. Je mehr der Mensch hinter seiner Flüchtigkeit bzw. Vergänglichkeit herläuft, desto mehr wird er auch leiden.

Deshalb: Zeit existiert, nimm die Zeit wahr, erkenne deine eigenen notorischen Muster und versuche dich zu lösen. Dein Körper ist an die Zeit gebunden, den Geist jedoch nicht.

Die ewige Wiederkehr

Der wohlbekannte deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche (*1844, †1900) verfolgte mit seiner Philosophie der Ewigen Wiederkehr einen ähnlichen Appell. Während die Buddhisten die Reinkarnation auf Körper und Geist des Menschen beziehen, bezieht Nietzsche die Reinkarnation auf das gesamte Weltengespann. Nietzsche geht also einen Schritt weiter als die Buddhisten und fragt: Was, wenn mein Geist nicht nur immer wieder in neue Körper geschickt wird, um neue Erfahrungen zu machen, sondern immer und immer wieder das absolut Gleiche zur gleichen Zeit erlebt? Am deutlichsten wird dies vielleicht in seinem Werk „Also Sprach Zarathustra“:

Alles geht, Alles kommt zurück; ewig rollt das Rad des Seins. Alles stirbt, Alles blüht wieder auf, ewig läuft das Jahr des Seins.

Alles bricht, Alles wird neu gefügt; ewig baut sich das gleiche Haus des Seins. Alles scheidet, Alles grüsst sich wieder; ewig bleibt sich treu der Ring des Seins.

In jedem Nu beginnt das Sein; um jedes Hier rollt sich die Kugel Dort. Die Mitte ist überall. Krumm ist der Pfad der Ewigkeit.

Also sprach Zarathustra, 1884, S. 95.

Für Nietzsche ist die Akzeptanz der Ewigen Wiederkehr zugleich die absolute Selbstbejahung, der Quell höchster Zufriedenheit. Wer diesen Gipfel erklimmt, nimmt nicht nur all das Leid an, was je geschehen ist und geschehen wird, sondern wird daran sogar die Freude entdecken. In seiner Autobiographie beschrieb Nietzsche, wie ihm der Gedanke kam:

Die Grundconception des Werks [Also sprach Zarathustra], der Ewige-Wiederkunfts-Gedanke, diese höchste Formel der Bejahung, die überhaupt erreicht werden kann –, gehört in den August des Jahres 1881: er ist auf ein Blatt hingeworfen, mit der Unterschrift: ‚6000 Fuss jenseits von Mensch und Zeit.‘ Ich ging an jenem Tage am See von Silvaplana durch die Wälder; bei einem mächtigen pyramidal aufgethürmten Block unweit Surlei machte ich Halt. Da kam mir dieser Gedanke.

Ecce homo, 1908, S. 305.

Natürlich bleibt auch mir die Frage, ob Nietzsche diesen Gedanken jemals hat verwirklichen können. Es scheint umso unwahrscheinlicher, wenn es stimmt, dass Nietzsche am 3. Januar 1889 ein Pferd umarmte, darunter zusammenbrach und den Verstand verlor. Vielleicht trug dieser Gedanke dazu bei und war letztlich doch eine Illusion, ein Hirngespinst, dass vom Menschen nicht verwirklicht werden kann?

Ich bin der Auffassung, dass wir dies niemals auf rein rational-intellektuellem Wege erfahren werden.

Siddhartas Verhältnis zur Zeit

Ein Gedanke, der mir fast täglich kommt, ist der, den Hermann Hesse (*1877, †1962) in seinem Buch „Siddharta“ in Form von Buddha an seinen Hauptcharakter Siddharta äußerte:

Ein Einblick in das Hermann Hesse Museum in Calw (Baden-Würtemberg)

Klug bist du, klug weißt du zu reden. Hüte dich vor allzu großer Klugheit!

Siddharta, 2004, 72. Auflage, S. 36.

Ich habe bereits in meinem Podcast über Hermann Hesse und Siddharta gesprochen, aber ich möchte gerade in Bezug auf das Thema Zeit noch mal einige Anstöße dazu geben.

Das geniale an der indischen Dichtung „Siddharta“ ist, dass Hesse in perfektem Einklang eine Parallelwelt zur westlich-modernen Industriegesellschaft erschafft. Ein jeder von uns wird in dem Glauben aufgezogen, die materialistische Perspektive ist die einzig Wahrhaftige. Darum ist der Verstand auch in überwältigender Mehrheit nur auf das ausgerichtet, was materiell erfassbar ist – Glück ist nicht mehr als sinnliche Lust, Krankheit nicht mehr als biologische Fehlfunktion und Zeit nicht mehr als Produktivität.

Der Protagonist Siddharta wächst ganz andersartig auf: Siddharta lebt bei den Brahmanen, ein Volk spiritueller Weiser und Angehöriger der obersten Kaste Indiens. Wie der Name sagt, strebt der Brahmane nach Brahman, der Verwirklichung der individuellen Seele (Atman) in der Weltenseele (Brahman) und der spirituellen Erleuchtung. Doch Siddharta sind die Lehren nicht genug.

So macht er sich unter Protest seines Vaters mit seinem Freund Govinda auf den Weg, um bei den Samanas zu leben. Samanas sind Bettelmönche, die sich der Askese, d.h. Enthaltsamkeit verschrieben haben. Samanas stehen im Gegensatz zu den Brahmanen sehr weit unten im Kastensystem Indiens. Doch mit der Zeit sind auch die Samanas nicht genug für das suchende Herz Siddhartas.

Siddharta und Govinda hören von Gautama, auch Buddha genannt, der Erleuchtete, der den Menschen eine Lehre bietet, die ihn zur Erleuchtung führen soll. Während Govinda sich entscheidet, bei Buddha zu bleiben und seiner Lehre zu folgen, entscheidet Siddharta sich anders. Siddharta hat genug von Lehren.

Also konfrontiert er Gautama. Die Begegnung zwischen Siddharta und Gautama ist aus mehreren Gründen legendär. Zum einen ist der Name Buddhas „Siddharta Gautama“, d.h. Hesse lässt hier den „jungen und unerfahrenen“ Buddha mit dem „älteren und erfahrenen“ Buddha sprechen. Zum anderen hallt das Gespräch der beiden noch in der weiteren Geschichte nach. Denn: Gautama lobt Siddharta zwar für sein Verständnis von Freiheit, offenbart ihm aber auch seine Schwäche bzw. Anfälligkeit, je nachdem wie man es nennen möchte.

Gautama sagt Siddharta ganz offen, dass er aufpassen solle, nicht zu klug zu werden. Auch Klugheit bedarf einer Grenze, ansonsten folgt Arroganz, List und Leichtfertigkeit. Und obwohl es im ersten Moment so scheint, als hätte die Konsultation mit Gautama Siddharta von der Fremdbestimmung anderer befreit – es wirkt geradezu, als wäre Siddharta fortan erleuchtet – ist es eigentlich genau andersherum.

Die Euphorie frei zu sein, hat Siddharta dazu gebracht, seine Klugheit auszunutzen, um sich ein zu gutes Leben zu bescheren. Er ging in die Stadt, fing eine Liebesbeziehung mit der Kurtisane Kamala an, stellte sich in den Dienst des Kaufmann’s Kamaswami und lebte trotz seines Spottes gegenüber der Welt und Gesellschaft anhaftenden Menschen immer mehr wie eben jene Menschen, auf die er hinunterblickte. Zumindest bis ihn eines Tages der Überdruss packte und er floh, weil er dieses Leben mit seinem spirituellen Wissen nicht mehr ertragen konnte.

Er hat – wortwörtlich – seine Zeit verschwendet.

Nicht, weil er nicht produktiv war. Nach heutigen Maßstäben war er sehr produktiv, er hat sehr viele Güter angehäuft. Sondern weil er immer häufiger Wein trank, nicht mehr seine Emotionen zu kontrollieren im Stande war und seine kindliche Leichtigkeit und Distanz gegenüber der Welt verloren hatte. Und in seinem Alter sind dadurch sicherlich auch die ersten körperlichen Beschwerden hinzugekommen.

Als er sich dann radikal befreite, fing er ein neues, ein bescheidenes Leben bei einem alten Bekannten an: dem Fährmann Vasudeva. Vasudeva war es, der ihn damals über den Fluss brachte, sodass Siddharta in die Stadt gelangen konnte. Wieder ist Vasudeva derjenige, der an einem Grenzbereich seines Lebens auf ihn wartete, um ihn bei seiner Metamorphose zu begleiten, bis Vasudeva schließlich an Altersschwäche starb.

Das besondere an Vasudeva war, dass er Siddharta einen neuen Lehrmeister bescherte, der ihm ein anderes Verhältnis zur Zeit lehrte: die Welt selbst. Über die Beobachtung des Flusses gelang es dem Fährmann, und dann auch Siddharta, die weltlichen Probleme zu relativieren und jeden einzelnen Augenblicke im Leben zu genießen. Gedanken sind flüchtig, was aber bleibt, ist das Verhältnis zwischen Wahrnehmendem und Wahrgenommenem, zwischen Beobachter und Beobachtetem. Der Fluss dient gleichzeitig als Metapher für „den Fluss der Zeit“, ein Symbol, für die Energie, Vergänglichkeit und Reinigung.

Wie Siddharta am Ende des Buches zugab, hatte er viele Lehrmeister Zeit seines Lebens, obwohl er diese nach Gautama beschlossen hatte aufzugeben. Kamala, Kamaswami, Vasudeva, der Fluss, ja sogar sein Sohn waren für ihn alle Lehrmeister. Alles, was das Leben für ihn zu bieten hatte, war ihm eine Lehre. Eine Lehre, die Siddharta selbst am Ende wie folgt ausdrückte:

Die Welt selbst aber, das Seiende um uns her und in uns innen, ist nie einseitig. Nie ist ein Mensch, oder eine Tat, ganz Sansara oder ganz Nirvana, nie ist ein Mensch ganz heilig oder ganz sündig. Es scheint ja so, weil wir der Täuschung unterworfen sind, dass Zeit etwas Wirkliches sei. Zeit ist nicht wirklich, Govinda, ich habe dies oft und oft erfahren. Und wenn Zeit nicht wirklich ist, so ist die Spanne, die zwischen Welt und Ewigkeit, zwischen Leid und Seligkeit, zwischen Böse und Gut zu liegen scheint, auch eine Täuschung.

Siddharta, 72. Auflage, 2004.

Abschließende Worte

Sicherlich ließe sich noch viel mehr zum Thema Zeit sagen. So könnte man auch fragen:

Was hat das Ich für ein Verhältnis zur Zeit?
Was ist der Zustand der Zeitlosigkeit und wie kann er möglicherweise sogar erfahren werden?
Welche Rolle spielt die Zeit bei systemischen und metaphysischen Entwürfen?

Mein primäres Ziel war es jedoch nicht, alles zu erfassen und zu beschreiben, was es zur Zeit zu sagen gibt. Mir war es wichtig, Anstöße zu geben, die über unser alltägliches Verständnis von Zeit hinausgehen.

Die eigentliche Ressource unserer Zeit ist für mich nicht das Geld, nicht die Information und auch nicht die Fantasie. Die wichtigste Ressource ist für mich die Zeit selbst. Denn im Umgang mit der eigenen Zeit merken wir auch, wie wir mit uns selbst und anderen umgehen. Wer sich selbst wertschätzen lernt, der wird die ein oder andere destruktive Aktivität vermeiden…

Wer aus der Perspektive der Zeit einen Klassiker wie „Faust.“ oder „Der Steppenwolf“ liest, wird staunen. Es lassen sich nicht nur extrem viele Hinweise auf die Wichtigkeit des Elements Zeit in den berühmtesten Geschichten und Gedichten finden, nein, sie regen einen auch an, selbst einmal über das Thema Zeit nachzudenken: beruflich wie privat.

Alles Feindliche verschwindet plötzlich und ist besiegt,
sobald es gelingt, die Zeit aus seinen Gedanken auszuschalten.

Der Steppenwolf, 64. Auflage, 2001.

Meist realisieren wir erst, wie wichtig die Zeit ist, wenn wir älter und erfahrener sind. Vielleicht liegt es auch daran, dass unsere heutige Gesellschaft vorsieht, dass wir einen Großteil unseres Lebens mit Arbeit zubringen und erst spät im Leben (>65) ruhen und unsere Zeit sinnvoll nutzen sollen. Doch meist ist es dann zu spät: Je älter wir werden, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit eines körperlichen Leidens, wenn wir nicht Zeit unseres Lebens darauf geachtet haben uns selbst zu schützen. Der Dalai Lama sagte sehr passend auf die Frage eines Reporters, was ihn am meisten am Menschen überrasche:

Der Mensch. Er opfert seine Gesundheit, um Geld zu verdienen. Wenn er es hat, opfert er sein Geld, um seine Gesundheit zurückzuerlangen. Und er ist so auf die Zukunft fixiert, dass er die Gegenwart nicht genießt. Das Ergebnis ist, dass er weder die Gegenwart, noch die Zukunft lebt. Er lebt so, als ob er nie sterben würde und schließlich stirbt er, ohne jemals richtig gelebt zu haben.

Das kann nicht unser Ziel sein. Wir sollten nicht Zeit unseres Lebens, unsere Zeit und Energie dafür aufwenden, dass wir am Ende des Lebens unter grausigen Bedingungen aus dem Leben treten. Ich plädiere eher dafür, sich darauf zu konzentrieren, dass das Leben im Jetzt vernünftig und sinnvoll gestaltet wird. Damit wir am Ende nicht auf den Gedanken kommen: Ich habe mein Leben verschwendet und ich hätte meine Zeit hier auf Erden besser gestalten können.

Doch diese Entscheidung treffe ich nur für mich selber. Und jeder andere für sich.

Herzlich
Tristan


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Hast du dir nicht auch schon einmal wunderliche Fragen im Alltag gestellt oder vielleicht in Tagträumen, auf die du keine Antwort gefunden hast? Ich auch.

Wie sollte deiner Vorstellung nach eine ideale Welt aussehen? 
Was zeigt dir ein De-ja Vù?
Sind Träume für dein Bewusstsein so real, wie der Wachzustand?

In spannenden Monologen und Gesprächsrunden versuche ich Interesse durch Bewusstheit und Einfachheit mit Wissenschaft & Esoterik zu kombinieren. Dabei entstehen dann faszinierende Denkansätze, welche zu mehr Fantasie und Kreativität anregen können. Nimm dir ein wenig Zeit und lass dich von den Ideen anstacheln.

☼Setz dich in Bewegung und die Welt mit dir ☽

Es ist dunkel. Das erste was ich höre ist eine lauter und greller Maschinenton, der immer im Abstand von 3 Sekunden auftritt. Einige Zeit später nehme ich eine tiefe männliche Stimme wahr: »Der Patient wird wach, das EKG schlägt aus. Sein Herzschlag beschleunigt sich.« Dann wendet sich die Stimme an mich: »Können Sie mich hören? Bitte antworten Sie und öffnen Sie langsam ihre Augen.«

Ich versuche meine Augen zu öffnen und nehme erste Lichtstrahlen wahr. Zuerst wirkt alles noch verschwommen, dann wird das Bild klarer: Ich bin in einem weißen Zimmer, welches durch Jalousien verdunkelt wird. In meinem Arm befindet sich die spitze Nadel einer Kanüle. Obwohl ich vermutlich mit Schmerzmitteln vollgepumpt bin, spüre ich den schmechenden Schmerz der Nadel deutlich. Langsam wird es mir bewusst: Ich bin im Krankenhaus. 

Aber etwas ist merkwürdig: Die beiden Ärzte, von denen ich stark hoffe, dass sie Ärzte sind, stehen in Schutzkleidung vor mir: Gummianzug, Handschuhe, Schutzhelm. Sie sehen aus, als würden sie sich auf eine Expedition in einen hochgiftigen Sumpf vorbereiten. Es scheint mitten am Tag zu sein und die Sonne scheint, denn auch wenn die Jalousien des Krankenhauszimmers heruntergezogen sind, treffen einige Lichtstrahlen auf den Helm der Schutzkleidung und reflektieren diesen, sodass ich das Gesicht der Ärzte nicht erkennen kann. Voller Verwunderung starre ich die beiden Gestalten an und hoffe, dass sie die Kleidung nur anhaben, um sich einen Scherz zu erlauben. 

Mein Magen fühlt sich flau an.

Die Stimme, die mich gebeten hat, die Augen zu öffnen, stammt von einem Mann, genauer gesagt scheint der Mann links von mir zu stehen. Ich schaue nach rechts und schließe von der Körperhaltung darauf, dass die rechte Gestalt in Schutzanzug eine Frau ist. Die Frau fängt an mit mir zu reden:

»Wissen Sie, wo sie sind?«

»Im Krankenhaus?«, entgegne ich. Auch wenn man es schon weiß, so ist das Aussprechen immer noch mal schlimmer, als es nur zu denken. Denn dann muss man es akzeptieren und kann es vor sich selbst nicht mehr leugnen. »Richtig. Was ist das Letzte, woran sie sich erinnern können?« fragte mich die Ärztin.

Ich schwieg für eine Weile, unfähig mein Unglück zu realisieren. Ich antwortete: »Ich war auf dem Weg in mein Büro… Habe ich dort einen Unfall gehabt?«

Der andere Arzt übernahm wieder: »Ja, sie sind in einen Autounfall verwickelt gewesen. Es war nicht ihre Schuld. Sie waren nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Derjenige, der Schuld am Unfall hatte, ist im Gegensatz zu Ihnen mit weniger Schaden davongekommen. Sie hingegen…«

Der Arzt zögerte. »Was?«, fragte ich. »Sie lagen etwa 12 Jahre im Koma. Wir hatten kaum noch Hoffnung, dass sie überhaupt aufwachen. Wir sind froh, dass Sie nun wieder hier bei uns sind.«

Stille.

Das war einer dieser Momente, in der sich die Zeit merkwürdig plastisch vorkommt. Als ob die Welt auf dem Kopf stehen würde. Oder, als ob ich unfähig wäre, einfachste Worte zu verstehen – dabei hatte ich jedes Wort verstanden, ich konnte es nur nicht realisieren.

»12 Jahre?!«, platzte es aus mir heraus. 

»Ich weiß, es ist schwierig zu verarbeiten«, sagte der Arzt, »aber je früher sie damit anfangen…«. Da unterbrach ihn die Ärztin und meinte: »Nehmen sie sich so viel Zeit dafür, wie sie brauchen. Es ist nicht leicht und wir versuchen sie dabei zu unterstützen, wo wir können.«

Für einen Moment tat ich dies als schlechten Scherz ab. Niemand liegt 12 Jahre lang im Koma. Ich meine, irgendwann werden doch einfach die Maschinen abgeschaltet. Und immerhin stehen die Ärzte hier noch nicht einmal in Person vor mir, sondern versteckten sich hinter ihrer Schutzkleidung. Das ist lächerlich. Als ob ich die Pest hätte. Die Ärzte spürten mein Unbehagen und auch, wenn ihr ihre Mimik nicht durch die Schutzkleidung sehen konnte, erkannte ich die Verlegenheit der Ärzte. 

Dann siegten meine Zweifel und mein Verstand über meine Hoffnung. Ich sagte den Ärzten, ich wolle alles wissen: Welches Jahr wir haben, was in der Zwischenzeit passiert ist, wie es meiner Familie geht usf. Die Ärzte versicherten mir, ich würde alles erfahren. Zu meinem Schutz dürfe ich meine Familie erst in ein paar Tagen sehen. Doch ich würde Unterstützung von einem Psychiater erhalten, der mich schon am nächsten Tag besuchen würde. Nun bräuchte ich erst mal etwas Ruhe. Soll mir nur Recht sein. Auch wenn ich warten hasse, so hasse ich es noch mehr mit Figuren aus Among Us zu sprechen.

Abgesehen von meinem geistigen Ausnahmezustand und meiner Verwirrtheit ging es mir gut. Ich war schon immer recht anpassungsfähig gewesen. Meine Erinnerungen waren bis auf den Unfall vorhanden. Soweit ich es beurteilen konnte, waren auch sonst alle kognitiven Fähigkeiten vorhanden. Es waren keine Wunden mehr vom Unfall auf dem Körper zu sehen, allerdings sind in der Zwischenzeit meine Muskeln atrophiert, sodass ich in den nächsten Wochen ein intensives Aufbautraining absolvieren musste, um wieder laufen und meine anderen Muskeln beanspruchen zu können. Außerdem wurden noch einige Tests mit mir durchgeführt, inwiefern ich sonst körperlich oder kognitiv eingeschänkt war. Das Körperliche wieder geradezubiegen war vermutlich auch nicht das Problem. Viel schwieriger war es wohl, sich von dem Schock zu erholen. In einer falschen Zeit aufzuwachen bedeutete, dass sich meine Familie, Freunde und Mitmenschen verändert hatten und ich meine Wohnung verloren hatte. Ich hatte 12 Jahre an Lebenszeit verloren, geschweige denn von den Ereignissen, die sich in der Zwischenzeit ergeben hatten und die ich verpasst hatte. Die sich nun einstellende Traurigkeit war für mich ein Produkt aus dem Verlust an Lebenszeit und Lebensqualität. Ich war inzwischen gealtert und meine Vitalität hat sich extrem gemindert. Und auch wenn ich mich in der Zeit nach dem Aufwachen elendig fühlte und in Selbstmitleid versank, so wusste ich doch, dass ich mich davon erholen würde. Aber ich weiß nicht, ob mein Psychiater dabei eine so große Hilfe war.

»Erzählen sie mir alles, was nach meinem Unfall passiert ist.«, überging ich hektisch die freundliche Begrüßung des Psychiaters. Ich ignorierte einfach Mal, dass er ebenso wie die anderen Ärzte in diesem Krankenhaus Schutzkleidung trug. Immerhin konnte ich sein Gesicht durch den Schutzhelm sehen, meine Augen waren wieder besser geworden und das Licht blendete nicht mehr so sehr. Auf seinem Schild stand: Dr. Lachmit.

Dr. Lachmit runzelte die Stirn und überlegte vermutlich, wo er anfangen sollte. »Wie sie sicherlich noch wissen, John, war Ihr Unfall im September 2018. Heute ist der 21. August 2030. Ihrer Familie geht es gut, Sie waren lange Zeit besorgt um Sie, wurden aber informiert, dass Sie aufgewacht sind und freuen sich, sie in den nächsten Tagen wiederzusehen.« Ich stieß einen Seufzer aus. »Immerhin das«, dachte ich mir. Ich wusste, dass sie in der Zwischenzeit vermutlich die Hoffnung aufgegeben hatten. Aber ich konnte es Ihnen nicht verdenken. »Und was ist sonst passiert?«, fragte ich. »Warum läuft hier jeder in Schutzkleidung herum, ist Ebola ausgebrochen?«

Dr. Lachmit lachte: »Gott sei dank nicht das auch noch.« Dann wieder Stille. Ich sah ihn fragend an. Er merkte, dass er nicht um diese Antwort herum kam. Auch er seufzte jetzt und schilderte mir die Entwicklung der letzten Jahre.

»Ende 2019 ist das sogenannte SARS-CoV-2-Virus in China ausgebrochen, oder wie jeder es inzwischen nur noch nennt: das Corona-Virus. Wenn sie mich fragen, ist die Bezeichnung etwas irreführend, da es viele Coronaviren gibt, aber wie dem auch sei. Seit dem Ausbruch hat sich die Welt ganz schön geändert. Einige Zeit lang versuchten die Regierungen der Welt die Verbreitung des Virus mit verschiedenen Lockdowns zu begrenzen. Dies hat zu einer erheblichen Anzahl an sozialen und psychologischen Schäden in der Gesellschaft geführt, ganz zu schweigen von den wirtschaftlichen Existenzen, die vernichtet wurden. Dennoch war die Mehrheit der Gesellschaft für diese Maßnahmen.

Im Jahr 2022 kam es dann zu einem erheblichen Anstieg an Toten. Keiner weiß so genau warum. Manche sagen, die Regierungen hätten einen Weg gefunden, das Virus schlimmer aussehen zu lassen, als es ist. Andere sagen, dies sei durch die Impfung entstanden. Wieder andere sagen, dass die langfristigen Schäden („Long-Covid“) einer Infektion mit dem Corona-Virus daran Schuld seien. Was genau die Ursache ist, weiß niemand so genau.

Die offizielle Version ist, dass das Corona-Virus die Gesellschaft vor ungeahnte Herausforderungen stellt. Diese Herausforderungen könnten noch Jahrzehnte dauern und die Regierung tue alles dafür, um diese Herausforderungen zu meistern. Genauer spezifiziert wird es nicht. Der Bevölkerung reicht es jedenfalls. Seitdem verbringen die Menschen den Großteil ihres Tages zu Hause, mehr noch, als vor dem Corona-Virus. Lebensmittel bringen Drohnen nachhause. Die herkömmliche Arbeit haben bis auf einige wenige Ausnahmen Maschinen übernommen. Die Menschen arbeiten nun Vollzeit im Home-Office. Immerhin wird den Menschen eine Stunde am Tag gewährt, um draußen Spazieren zu gehen. Treffen dürfen sie sich nur über Social Media. Haushaltsfremder Kontakt ist genau wie Sport jedoch verboten, da dies die Verbreitung des Corona-Virus fördern soll. Durch die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes im Jahr 2022 hat die Regierung auch die rechtliche Befugnis, dies durchzusetzen. Verstöße werden mit Freiheitsstrafen in Isolation verbüßt.«

Dr. Lachmit sah mich schweigend an. Ich wusste nicht so recht, was ich sagen sollte. »Es ist nicht unbedingt eine Dystopie«, sagte Dr. Lachmit, »aber lebenswert ist es auch nicht unbedingt… Wir nehmen es jedenfalls hin, weil wir wissen, dass es für eine gute Sache ist. Das sollten sie auch. Was du vielleicht noch wissen solltest: Versuche keinen Ärger zu machen. Jeder, der seinem Frust in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit freien Lauf gegeben hat, wurde von den Medien und Regierungen als asozial und unsolidarisch diffamiert. Friedlicher Protest ist erlaubt, begrenzt sich aber auf Kommentare in Internet-Plattformen von Zuhause aus, bei denen der Upload-Filter dafür sorgt, dass keine überscharfe Kritik oder Beleidigungen veröffentlicht werden. Kanäle müssen sich an die Richtlinien zur Meinungsfreiheit halten, sonst werden sie gebannt.

Du wirst dich nach deinem Krankenhausaufenthalt unverzüglich in dein Appartement begeben. Deine Familie hatte es in der Zwischenzeit untervermietet. Ich habe mit deiner Mutter per Telefon gesprochen, sie meint, du kannst nach deinem Aufbautraining wieder dort einziehen. Mehr wirst du von deiner Familie erfahren.

Kann ich dir noch irgendwie behilflich sein? Hast du Fragen? Wir haben nicht mehr allzu viel Zeit.«

Nein, ich hatte eigentlich keine Fragen. Oder besser gesagt, ich wollte nicht nachfragen. Ich wollte ehrlich gesagt aufwachen, wie aus einem Albtraum. Dr. Lachmit hatte recht. Eine solche Welt ist nicht wirklich lebenswert. Aber was tun? Alternativen gibt es auch nicht, oder? Ich konnte schließlich nicht einfach wegrennen. Weder körperlich, noch geistig. Es schwirrten so viele Gedanken in meinem Kopf umher. Zu viele, als ich im Stande wäre, alle gleichzeitig zu verarbeiten. 

»Ja, ich würde gerne noch etwas wissen.«, sagte ich zu Dr. Lachmit. 

»Bitte.«

»Wie viele Menschen sind denn an dem Virus gestorben? Und was halten sie davon?«

»Nun, eine genaue Zahl kennt niemand. Inzwischen ist nur noch die Inzidenz bekannt, welche laut Regierung konstant >250 liegt. Bis 2021 sollen etwa 100.000 Menschen an dem Virus gestorben sein. Ab 2022 wurde eine Politik fokussiert, die die Fallsterblichkeit und Todesfälle ausschließt und lediglich die 7-Tage-Inzidenz zentriert. Viele Wissenschaftler waren sich zum damaligen Zeitpunkt einig, dass dies eine gute Lösung darstellen wird. Was ich persönlich davon halte… Nun, mir steht eine Meinung nicht zu. Ich bin lediglich Psychiater. Das überlasse ich den Virologen und Epidemiologen. Wie bereits gesagt, ich denke, wir tun das Richtige.« Dann schaute Dr. Lachmit auf die Uhr, verabschiedete sich mit einem: »Ich muss zum nächsten Patienten.«, und huschte aus dem Krankenhauszimmer. Und ich war wieder allein.

Die nächsten Tage verbrachte ich in Einsamkeit. Bis auf den automatischen Servierservice, der mir mein klinisches Krankenhaus essen brachte, bekam ich niemanden zu Gesicht. Ich hatte viel Zeit, mir Gedanken über das Virus zu machen, über das alle sprachen. Zu einer Meinung kam ich jedoch nicht. Dafür wusste ich zu wenig.

Ich bin ein Freund davon, von allem und jedem zu lernen. Das gilt auch für Animes. Wieso also nicht darüber philosophieren, was sich der Macher des legendären Mangas/Animes One Punch Man bei seinem Werk gedacht hat? Lasst uns dafür zu Beginn klären, was Geschichten für eine Bedeutung in unserem Leben haben.

Geschichten sind nicht nur dafür da, uns abends bei einem Lagerfeuer glücklich zu machen, zu trösten oder die Einsamkeit zu vertreiben. Vielmehr sind die Geschichten, die wir kennen, ganz eng an unsere Wahrnehmung geknüpft. Je nach dem, welche Geschichten wir im Leben schon gehört und durchlebt haben, reagieren wir anders auf die Chancen und Möglichkeiten in unserer Gegenwart. Ist deine persönliche Geschichte mit sehr viel Leid durchtränkt, so wirst du vermutlich die Welt anders sehen, als jemand, der immer nur Gutes erlebt und gehört hat.

Es ist kein Wunder, dass in unserem Informationszeitalter Geschichten (bzw. Informationen) die primäre Währung sind. Nachrichten, Hollywood-Filme/Serien, Youtube-Tutorials, Bücher, Musik, soziale Medien, ja sogar unsere Freunde und Familie – sie alle haben eine Geschichte zu erzählen. Gleichzeitig färben sie uns jeden Tag mit ihren Gedanken und Gefühlen und tragen dazu bei, dass wir sind, wie wir sind.

Wer glaubt, dass Geld die Währung unserer Zeit ist, den muss ich enttäuschen. Geld hat auch eine Geschichte, vielleicht sogar die älteste Geschichte der Welt, aber Geld ist nicht das, was unser Leben lebenswert macht. Wir können mit Geld bestimmte Dinge kaufen, die uns Geschichten erzählen sollen. Was wir kaufen, ist jedoch davon abhängig, was wir bereits für Geschichten erlebt haben. Damit ist Geld zwar das Mittel, um neue Geschichten zu erfahren, allerdings kann durch bestimmte Informationen und Geschichten (z.B. Nachrichten) gezielt manipuliert werden, welche Geschichten wir noch hören wollen.

Darum sind Nachrichten übrigens auch nicht ungefährlich: Nachrichten erschaffen einen Drang bzw. eine Sucht nach immer neuen Informationen. Ob diese Informationen positiv oder negativ sind, ist gar nicht unbedingt wichtig, da es bei Nachrichten primär um die Aktualität geht. Wer nicht ständig aktualisiert (wie z.B. auch bei Social Media) fühlt sich abgehängt (und dies kann Urängste triggern, aus der Gemeinschaft ausgestoßen zu werden).

Dieser Trend wird übrigens immer weiter dadurch manifestiert, dass Informationen durch das Internet kostenfrei zur Verfügung stehen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Zurück zum Narrativ: Zu unserer Zeit fühlt es sich an, als ob es unendlich viele Geschichten gäbe. Das Internet macht es möglich. Aber was, wenn ich euch sage, dass der Ablauf von Geschichten immer derselbe ist?

Es gibt viele Konzepte darüber, wie die basale Struktur von Geschichten aussieht. Aber vielleicht hat es bisher niemand so gut beschrieben, wie der Philosoph und Theologe Joseph Campbell.

Campbell erklärte in seinem Buch Der Heros in tausend Gestalten (Hero with a Thousand Faces), dass sich eine Geschichte für einen Helden immer nach den gleichen Motiven entwickelt, unabhängig von Religion, Abstammung, oder Zeit. Ein Held einer Geschichte sei somit ein Archetyp, der in jedem Menschen angeboren sei. Im Grunde genommen läuft es so ab: Die Reise beginnt, der Held trifft seinen Mentor, der Held muss „das Unbekannte“ bzw. einen unbekannten Bereich betreten, macht Fehler und steckt Niederlagen ein, lernt aber gleichzeitig Helfer kennen, erlernt neue Fähigkeiten, wandelt an der Schwelle des Todes (und wird manchmal wiedergeboren), erfährt eine Offenbarung und verändert sich, tut Buße, wird beschenkt (durch z.B. äußere Umstände, Gegenstände, die ihm helfen oder Freunde) und kehrt „stärker“ in die normale Welt zurück. Dann beginnt die Reise von Neuem, aber auf einem höheren Niveau. Auf dreidimensionaler Ebene ließe sich dieser Kreislauf auch als Upward Spiral (Aufwärtsspirale) vorstellen.

Eine weitere Art und Weise die Geschichte eines Helden zu beschrieben, hat Dan Harmon, Erfinder der beliebten TV-Serie Rick & Morty entwickelt. Dabei sei jedoch gesagt, dass die Grundzüge seiner Beschreibung auf Campbell zurückzuführen sind, dessen Buch Harmon kennt.

Dan Harmon beschreibt acht Schritte, in denen der Held einer Geschichte sich verändern muss, um die Reise zu bestehen. Die obere Hälfte des Tortendiagramms zeigt dabei Start bzw. Ende der Geschichte an, somit nach Campbell „das Bekannte“, während die untere Hälfte Wachstum und Veränderung anzeigt, nach Campbell „das Unbekannte“. Häufig gehen mit dem bekannten Bereich einer Geschichte Licht, Fröhlichkeit, Ordnung und Heilung/Leben einher (was sich auch filmisch gut darstellen lässt), während mit dem unbekannten Bereich das genaue Gegenteil einhergeht (Dunkelheit, Chaos, Trauer, Tod etc.). Mit dieser Dualität wird in einer Geschichte ganz bewusst gespielt. Wäre diese Dualität nicht vorhanden, wäre auch keine Veränderung zu erwarten. Sowohl in deiner eigenen Geschichte, als auch im Film und TV.

Diese acht Schritte sind: 1. Komfortzone, 2. Bedürfnis oder Wunsch, 3. Ungewohnte Situation, 4. Anpassung, 5. Kriegen, was man wollte, 6. Aber einen Preis dafür zahlen, 7. Zurück zur Gewohnheit 8. Sich geändert haben

„Alles Leben, einschließlich des menschlichen Geistes und der Gemeinschaften, die wir schaffen, marschiert im selben, sehr spezifischen Takt. Wenn Ihre Geschichte auch zu diesem Takt marschiert – ob Ihre Geschichte der große amerikanische Roman oder ein Furzwitz ist – wird sie mitschwingen. Es wird das Ego Ihres Publikums auf eine kurze Reise ins Unbewusste und zurück schicken. Ihr Publikum hat einen instinktiven Geschmack dafür und sie werden „lecker“ sagen.

Dan Harmon

Und glaubt mir nicht, sondern überprüft es. Von Arielle die kleine Meerjungfrau, über Heavy Metal Musik bis hin zu Menschen, die sich in den Urwald nach Peru auf den Weg machen, um Ayahuasca zu trinken: Sie alle machen diesen Story Circle durch.

Wie lässt sich nun die Serie One Punch Man dort einordnen? Grundsätzlich verfügen Serien auch über einen Story Cycle, auch wenn dieser etwas ausgedehnt wird. Zudem spiegelt sich der Story Cycle auch in jeder einzelnen Folge wieder und existiert damit sowohl im Mikrokosmos, als auch im Makrokosmos einer Serie.

Bei One Punch Man geht es um den Helden Saitama, einen übermächtigen Helden, der die Welt vor Monstern schützt. Und ja, Saitama sieht nicht danach aus, aber er ist so stark, dass niemand, wirklich NIEMAND ihm auch nur das Geringste anhaben kann. Selbst den Gebieter des Universums hat er schon in der ersten Staffel besiegt. Tatsächlich ist der Titel der Serie auch so gewählt, weil Saitama jeden Gegner mit nur einem einzigen Schlag platt macht. Saitama kommt eigentlich fast immer zu spät zu den wirklich wichtigen Kämpfen, in denen seine Freunde besiegt wurden, aber am Ende siegen doch immer die Guten. Oder naja, er. Aber er selbst zählt sich zu den Guten.

Und genau hier fängt das Problem an: Saitama bleibt konstant in Phase 1: Die Komfortzone. Er kommt da aber auch einfach nicht raus, so sehr er es versucht. Seine Freunde entwickeln sich im Gegensatz zu ihm weiter, auch wenn sie niemals in ihrem Leben so stark werden können, wie er. Aber Saitama hat durch seine unheimliche Stärke sein Lebensziel erreicht und kann sich nun nicht mehr weiterentwickeln. Niemand kitzelt das aus ihm heraus, was eine gute Geschichte ausmacht: Dass der Held sich verändern und anpassen muss.

Und das merkt Saitama. Versteht mich nicht falsch, die Serie One Punch Man selbst verläuft nach demselben Schema, wie jede andere Geschichte auch. Saitama ist zwar der Hauptcharakter, aber die Serie selbst besteht aus vielen kleinen Nebenhandlungen über Helden, die immer wieder mit Saitama in Kontakt kommen. Insofern sehen wir immer stärkere neue Gegner, an die sich alle Helden anpassen müssen, d.h. sich selbst überwinden müssen, um zu gewinnen. Außer Saitama.

Die Rolle von Saitama könnte also nicht irrwitziger und ironischer sein. Er ist der einzige Charakter, der stets „er selbst bleiben darf.“ Es gibt schlichtweg keinen Antrieb und keine Veränderung mehr für Saitama als Helden. Und hier erhalten wir auch einen Einblick in seine Gefühls- und Gedankenwelt. Er hat eine sehr leidvolle Geschichte und wusste nie, wo er hingehört. Eines Tages hat ein Monster seinen Kampfgeist geweckt und er hatte das Ziel, der stärkste Held aller Zeiten zu werden. Daraufhin hat er – laut ihm – so verrückt trainiert, dass er unbesiegbar wurde (und ihm die Haare ausgefallen sind). Seine Leidenschaft für das Heldendasein schien also so extrem zu sein, dass er der Allerbeste wurde. Jedoch für einen Preis, den er zahlen musste, ebenso wie jeder andere Held auch.

Er fühlt sich abgestumpft, leer und völlig angstfrei. Angstfreiheit kann für die einen etwas Gutes bedeuten. Es kann aber auch die totale Gleichgültigkeit bedeuten. Letztlich ist Mut auch nicht die Abwesenheit von Angst, sondern die Entscheidung trotz Angst zu handeln.

Jeder Mensch verbindet einen Helden mit Mut. Saitama braucht diesen Mut nicht mehr, gerade weil er schon der allerstärkste Held ist. Vielleicht fehlt ihm deshalb die Leidenschaft für seinen Beruf als Held. Wieso anstrengen und mutig sein, wenn er sowieso weiß, dass er gewinnt? Diese Frage bringt ihn in eine tiefe Depression.

Aber, wer die Serie versteht, der merkt, dass Saitama sich doch verändert: Nicht als Held, aber als Mensch. Zu Beginn der Serie war er alleinstehend, ohne Freunde oder Beruf. Inzwischen hat er einen Schüler, einen Freund und wird von der Heldenliga als hauptberuflicher Held eingestuft (wenn auch in einer Klasse, die ihm nicht gerecht wird). Er lernt wieder Gefühle zu fühlen, nicht auf dem Schlachtfeld, aber bei seinen Freunden. Während die anderen Charaktere der Serie noch darum kämpfen, die Stärksten oder Mächtigsten zu sein, lernt Saitama, worauf es wirklich ankommt. Vielleicht ist Saitama in der Serie fehl am Platz – wie ein Gott aus einem anderen Universum – aber genau das macht den Charme der Serie aus.

Übertragen auf das echte Leben wirft die Serie einige ernsthafte Fragen auf, mit denen auch wir im Alltag konfrontiert werden. Exemplarisch:

  • Wozu weiterkämpfen, wenn wir unser Ziel erreicht haben?
  • Liegt der Sinn des Lebens in Macht, Stärke und Überlegenheit oder eher in Ebenbürtigkeit und Austausch?
  • Brauchen wir Ideale, um nicht der Gleichgültigkeit unseres Daseins zu erliegen?
  • Erfahren diejenigen, die stark und machtvoll sind, automatisch einen Gott-Komplex?

Und zum Abschluss findet ihr noch ein Video, in dem sich Saitama über seine Misere klar wird… und durch einen guten Freund eine Anregung erhält, seine Ideale zu überdenken.

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